Das Handy von Angela Merkel steht offenbar seit 2002 auf einer Liste mit Aufklärungszielen des US-Geheimdienstes NSA. Das berichtet das Magazin "Der Spiegel" und bezieht sich auf einen Auszug, der offenbar aus einer geheimen NSA-Datei stammt. Aus dem Dateiauszug gehe außerdem hervor, dass dieser Ausspäh-Auftrag offenbar auch wenige Wochen vor Präsident Obamas Berlin-Besuch im Juni 2013 gültig war.
In dem Auszug, der dem "Spiegel" vorliegt, ist die Nummer unter "GE Chancellor Merkel" eingetragen. Demnach hat das für Europa zuständige Referat S2C32 "European States Branch" Merkel als Ziel benannt. Für die Umsetzung ist in der Datei eine Einheit mit dem Namen "Special Collection Services" eingetragen. Aus dem Eintrag gehe nicht hervor, welche Art von Daten überwacht wurden, ob etwa alle Gespräche mitgeschnitten oder nur Verbindungsdaten ausgewertet wurden.
Der "Special Collection Service" (SCS) unterhält in der Berliner Botschaft der USA am Pariser Platz eine nicht legal angemeldete Spionagedependance. Dort überwachen Mitarbeiter der NSA und der CIA mit modernen Hochleistungsantennen Kommunikation im Regierungsviertel. Wenn Botschaften wegen solcher technischer Aufbauten als Horchposten erkannt würden, so heißt es in einem "streng geheim" eingestuften internen SCS-Leitfaden, könne dies "schweren Schaden für die Beziehungen der USA zu einer fremden Regierung" bedeuten. Ähnliche Einrichtungen der gemeinsamen Einheit von CIA und NSA, Ende der siebziger Jahre gegründet, gab es laut einer geheimen Übersicht aus dem Jahr 2010 an rund 80 Standorten weltweit.
Davon lagen alleine 19 in europäischen Städten, etwa in Paris, Madrid, Rom, Prag und Genf. Neben Berlin unterhält die US-Regierung laut den internen NSA-Unterlagen auf deutschem Boden eine zweite Spionageniederlassung in Frankfurt am Main. In internen Gesprächen mit der Bundesregierung hat die US-Regierung die Erfassung von Merkel als Aufklärungsziel nicht dementiert. Obamas Sicherheitsberaterin Susan Rice räumte in einem Gespräch mit Merkels außenpolitischem Berater Christoph Heusgen ein, sie könne eine Überwachung nur für die Gegenwart und die Zukunft ausschließen, nicht für die Vergangenheit. US-Präsident Barack Obama versicherte Merkel am Telefon, dass er von einer möglichen Abhöraktion nichts gewusst habe, andernfalls hätte er sie sofort gestoppt. Als Konsequenz aus der Affäre will das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) die Spionageabwehr ausbauen. "Wir reden von einer grundlegenden Neuausrichtung", so ein hochrangiger Sicherheitsbeamter zum "Spiegel". Das Personal der zuständigen BfV-Abteilung 4, in der derzeit mehr als hundert Mitarbeiter tätig sind, könnte nach den Vorstellungen der Amtsleitung verdoppelt werden. Ein Schwerpunkt der Neuausrichtung soll die Überwachung der Botschaftsgebäude im Berliner Regierungsviertel sein.