Michael Kamm, CEO der Sympatex Holding GmbH, verrät im Anleihen Finder-Interview Hintergründe über die Emittentin, die Neuemission der Sympatex-Unternehmensanleihe und wie die Stimmung in Gesprächen mit Investoren kippte.
Anleihen Finder Redaktion: Sehr geehrter Herr Kamm, die Wurzeln der Sympatex Gruppe reichen tief, beginnt man die Zeitrechnung mit der 1806 in Heidenheim gegründeten C.F. Ploucquet Textilgruppe. Was sind heute die Geschäftsfelder, Märkte, Strategien des Unternehmens und wie viel von der Unternehmenskultur und der Größe dieser Tradition findet sich in der heutigen Sympatex Gruppe?
Michael Kamm: Unsere heutigen Geschäftsfelder übersteigen bei weitem das, womit Ploucquet im Jahr 1806 einmal begonnen hatte. Damals stand vor allem die Produktion von Oberbekleidung und Konfektionsstoffen im Vordergrund. Heute haben wir uns als Sympatex-Gruppe zu einem international agierenden Unternehmen fortentwickelt, das weltweit Membrane, Laminate und Funktionstextilien sowie Fertigfabrikate gemeinsam mit ausgewählten Partnern entwickelt, produziert und vertreibt. Unsere Endverbraucher kennen die Marke Sympatex im Zusammenhang mit Outdoor-Bekleidung und Schuhen. Namhafte Markenhersteller aus diesen Bereichen verarbeiten hier unsere atmungsaktiven sowie 100 % wind- und wasserdichten Materialien. Aber Sie finden unsere Funktionstextilien auch in Arbeits- und Schutzbekleidung oder in technischen Anwendungen, wie zum Beispiel in der Automobilindustrie und Medizintechnik.
Dabei verbinden wir bei allen unseren Produkten Technologie und Ökologie: Die Sympatex Membran ist "guaranteed green", d.h. 100% recycelbar und bietet dabei eine sehr dynamische Performance. Sie ist zudem unter den derzeit dünnsten und dehnbarsten Membranen auf dem Markt. Im Gegensatz zu vielen Wettbewerbsprodukten sind Sympatex-Produkte frei von ökologisch und gesundheitlich umstrittenem PTFE (Polytetrafluorethylen), womit wir uns heute eindeutig als die ökologische Alternative unter den textilen Funktionsspezialisten sehen.
Micheal Kamm, Sympatex Holding GmbH: "Dieses Segment bietet nach unserer Auffassung Wachstumschancen"
Anleihen Finder Redaktion: Und welches sind die Strategien, mit denen die Sympatex-Gruppe die 200-jährige Tradition erfolgreich in die Zukunft überführen möchte?
Michael Kamm: Unsere Strategie legt in den kommenden Jahren insbesondere Augenmerk darauf, die Profitabilität des Unternehmens deutlich zu steigern und in den Zielmärkten die Marktanteile zu erhöhen. Um diese Ziele zu verwirklichen, setzen wir an verschiedenen Stellen an: In den beiden bekanntesten Geschäftsbereichen Apparel (Bekleidung) und Footwear (Schuhe) wollen wir insbesondere durch unsere ökologischen Vorteile neue Kunden hinzugewinnen. Wir sehen dort vor allem Potenzial bei Großkunden, die bei ihren Materialien eine ökologische Alternative zu unseren Wettbewerbern suchen. Daneben expandieren wir weiter in dem für uns noch sehr jungen Markt Contract & Workwear, also Arbeits- und Schutzbekleidung. Dieses Segment bietet nach unserer Auffassung Wachstumschancen. Es geht dabei insbesondere um Schutzbekleidung für Polizei und Feuerwehr, aber auch das Militär. Unsere entwickelten Membrane können nach spezifischen Anforderungen behandelt werden, z.B. eine Aluminiumbedampfung, die eine verstärkte Isolation und Wärme-Reflektion gewährleistet. Entsprechend dem Anforderungsprofil an eine Uniform, werden die Stoffe angefertigt und behandelt. Ein durchaus interessanter Markt, der aufgrund der Ausschreibungsverfahren große Planungssicherheit bei Produktionsmengen und Zahlungsströmen bietet, wenn man im Verfahren erfolgreich ist.
Auch der technische Anwendungsbereich Tection bietet eine Vielzahl an Einsatzmöglichkeiten für unsere Produkte. Diese Entwicklungen möchten wir für uns nutzen, um vorhandenes Potential auszuschöpfen und mehr Marktanteile zu gewinnen.
Der Unternehmensbereich Ploucquet, der für Veredelung und Ausrüstung von Geweben steht, wird vor allem im Bereich der industriellen Anwendungen wachsen. Gleichzeitig besteht dort ein sehr stabiles Stammgeschäft mit Taschenfutter, Innenfutter und Hosenbünden für führende Herrenkonfektionäre, die in Europa herstellen oder konfektionieren lassen. Neben dem geplanten organischen Unternehmenswachstum, werden wir auch das anorganische Wachstum über Akquisitionen weiter verfolgen, sofern es ein Unternehmen geben sollte, das zu uns passt.
Anleihen Finder Redaktion: Im Jahr 2006 befand sich die die heutige KonzerngesellschaftPloucquet in Heidenheim - im weiteren Sinne die Vorgängerin der Emittentin in einer finanziell schwierigen Lage und wurde von Morgan Stanley und Annex Capital erworben. Das Engagement von angelsächsischen Finanzinvestoren im deutschen Mittelstand wird immer wieder als kritisch beurteilt - wie verhält es sich im Fall von Sympatex?
Michael Kamm: Da müssen wir zwei Dinge klar voneinander unterscheiden: 1. 2006 hatten sich die Altgesellschafter nach der Übernahme von Sympatex und eines hochmodernen Textilwerkes in Zittau wohl etwas zu viel zugemutet. Und nicht zuletzt durch die Vielzahl an Familiengesellschaften - es waren um die 40 Einzelgesellschafter - gab es keine schlüssige Strategie, wohin die weitere Reise am besten geht. 2. Die Übernahme durch die beiden Finanzinvestoren lösten im ersten Schritt diese Probleme, brachten aber zwei neue Probleme mit sich. Erstens hatte das Unternehmen die Folgen hoher Gesellschafterdarlehen zu verkraften, an deren Zinslast die Gruppe die ganzen Jahre extrem schwer zu tragen hatten. Zweitens haben sich mit der Finanzkrise 2008/2009 die Regularien für US-Banken dahingehend verändert, dass diese dauerhaft keine direkten Unternehmensbeteiligungen mehr halten durften. Für uns bedeutete das, dass unsere US-Investoren wenig Interesse haben konnten, unsere konsequente Fortentwicklung durch zusätzliche Finanzmittel zu unterstützen.
Heute haben wir aber eine ganz andere Situation: Für das auch nach heutigem Stand noch immer modernste Textilwerk in Zittau sind wir sehr dankbar. Es ermöglicht uns völlig neue Marktchancen in technischen Textilien. Die hochverzinslichen Gesellschafterdarlehen im Volumen von 30 Mio. Euro wurden inzwischen in Eigenkapital gewandelt (26 Mio. Euro) oder erlassen (4 Mio. Euro). Die Finanzinvestoren halten nunmehr einen Anteil von 24,9 %. Mehrheitlich gehören wir heute zwei Unternehmerfamilien und sind damit viel mehr ein Familienunternehmen mit langfristiger Strategie und auch schnellen Entscheidungen geworden.
Michael Kamm, Sympatex Holding GmbH: "Hier wurde der eingeschlagene Weg zum Familienunternehmen konsequent fortgesetzt"
Anleihen Finder Redaktion: Ende Juni 2013 hat Stefan Sanktjohanser, Mitbegründer von goetzpartners in München sowie einer der beiden Gesellschafter der Annex Capital Invest Beratungs Gmbh weitere 25,1% von Morgan Stanley erworben und hält nun indirekt 50,1% der Anteile der Emittentin wodurch auch die Finanzierungsstrukturen neu geordnet werden konnten. Was waren die Hintergründe für den erneuten Wechsel des Hauptgesellschafters? Welche kurzfristigen und/oder strategischen Veränderungen gingen hiermit einher?
Michael Kamm: Das war kein erneuter Wechsel sondern hier wurde der eingeschlagene Weg zum Familienunternehmen konsequent fortgesetzt. Die beiden Unternehmerfamilien halten jetzt direkt und indirekt 75,1 % am Unternehmen. Unser Eigenkapital wurde auf 21 % gestärkt. Die Gesellschafterdarlehen wurden in Genussrechte umgewandelt und die Zinslast stark gemindert. Zum ersten Mal seit ganz langer Zeit sind wir in der Lage, unsere operativ erwirtschafteten Cash Flows für unser eigenes Wachstum, für die Umsetzung unserer Strategie, für die Nutzung der vielfältigen Marktchancen einzusetzen.
Anleihen Finder Redaktion: Durch die Veränderungen in der Finanzstruktur hat die Gruppe gemäß Zwischenzahlen zum 30.09.2013 erstmals seit einigen Jahren wieder ein positives Eigenkapital. Außerordentliche Erträge führen auch zu einem positiven Periodenergebnis - das operative Ergebnis aber bleibt mit EUR 2,4 Mio. ähnlich negativ wie in den Vorjahren. Was werden Sie kurzfristig unternehmen, um den Verlusten ein Ende zu bereiten?
Michael Kamm: Ich sehe das etwas anders. Sympatex war operativ immer rentabel. Auf Ebene des EBITDA haben wir in den vergangenen Jahren Renditen von rund 3 bis 6 % erwirtschaftet. Das sind Werte, mit denen wir uns sicher noch lange nicht zufrieden geben. Sie zeigen aber die gesunde Ertragskraft im Kerngeschäft. Dass wir "unter dem Strich" Verluste verkraften mussten, war vor allem der hohen Zinslast aus den rund 30 Mio. Euro Gesellschafterdarlehen geschuldet. Das ist jetzt anders.
Anleihen Finder Redaktion: Vom 27. bis zum 29. November 2013 können Anleger Ihre Fünf-Jahres-Unternehmensanleihe im Nominalvolumen von EUR 13 Mio. und mit einem Kupon von acht Prozent p.a. kaufen. Die Sympatex-Unternehmensanleihe wird unter anderem im Entry Standard der Frankfurter Wertpapierbörse handelbar sein. Wie fügt sich die Emission in die Finanzierungsstrategie der Gruppe ein und wie werden Sie die eingeworbenen Mittel verwenden?
Michael Kamm: Die Anleihe ist für uns eine Möglichkeit, unabhängig von Bankdarlehen zu agieren und unsere Maßnahmen zur Wachstumssteigerung wirkungsvoll zu unterstützen. Entsprechend unserer Ziele, uns insbesondere über die Erschließung neuer Märkte im asiatischen Raum und als führender Anbieter von Funktionstextilien mit ökologischer Herstellung und Verarbeitung zu positionieren, werden wir etwa 60 % der Mittel aus der Anleihe als Wachstumskapital nutzen. Im Einzelnen bedeutet das für uns, dass wir in die Produktentwicklung, Marketing und Vertrieb investieren, um in den Schlüsselländern unsere Strukturen auszubauen. Daneben werden wir im Rahmen unserer Wachstumspläne auch das angesprochene anorganische Wachstum weiter vorantreiben und in die Internationalisierung auch über Akquisitionen investieren.
Michael Kamm, Sympatex Holding GmbH: "Ende 2013 frei von Finanzverbindlichkeiten sein"
Anleihen Finder Redaktion: Werden aus den Emissionserlösen auch die Kreditverbindlichkeiten ggü. Banken zurückgeführt und damit auch die bestehenden Sicherheiten freigegeben?
Michael Kamm: Wir haben in älteren Bankdarlehen die Rechte an der Marke Sympatex verpfändet. Unabhängig von der Unternehmensanleihe können wir Ende 2013 frei von Finanzverbindlichkeiten sein - entsprechend fallen die Markenrechte wieder an uns zurück. Die Rechte an der Marke werden zur Besicherung der Anleihe an die Anleihegläubiger verpfändet.
Anleihen Finder Redaktion: Die Anleihebedingungen verpflichten die Gruppe zur Einhaltung einer ganzen Reihe von Vereinbarungen. Unter anderem darf die Emittentin keine Dividenden auskehren und keine Gruppengesellschaft darf zusätzliche Finanzverbindlichkeiten aufnehmen. Können Sie uns den Kanon und die Logik an Zusatzrechten für die Gläubiger bzw. Zusatzpflichten für die Emittentin darlegen?
Michael Kamm: Insgesamt versuchen wir dem derzeit sehr vorsichtig agierenden Kapitalmarkt natürlich durch Besicherungen, Garantien und Covenants entgegenzukommen. Viele der Covenants entsprechen dem derzeit üblichen. Die Ausschüttungssperre kombiniert mit der Zusage unseres Gesellschafters, selbst in die Anleihe zu investieren, zeigt vor allem das hohe Vertrauen und Commitment unseres Gesellschafters.
Anleihen Finder Redaktion: Darüber hinaus gibt eine der Tochtergesellschaften, die Sympatex Technologies GmbH, eine Garantie gegenüber den Anleihegläubigern ab. Welche Überlegung steht hinter diesem Sicherungsmechanismus?
Michael Kamm: Die Garantie der Sympatex Technologies für die Holding ist eine Maßnahme, die uns nicht in unserem operativen Geschäft einschränkt, aber dem Anleger dennoch eine vollwertige Sicherheit bietet. Denn insbesondere das operative Geschäft, das in der Sympatex Technologies GmbH liegt, war und ist erfolgreich und profitabel.
Note "BB-"
Anleihen Finder Redaktion: Die Creditreform Rating AG hat das Unternehmen mit einer Note "BB-" eingestuft. Ein mittelmäßiges Ergebnis, aber überraschend gut bei einem lange Zeit nicht kostendeckenden operativen Geschäft mit einem negativen Eigenkapital von EUR 23 Mio. Ende 2012. Welche Faktoren nennt die Creditreform in Ihrem Ratingbericht für dieses Ergebnis?
Michael Kamm: Aufgrund der umgesetzten Maßnahmen im Zusammenhang mit den Gesellschafterdarlehen wurde einerseits das Konzernergebnis zum 30.09.2013 auf 1,9 Mio. EUR gesteigert und andererseits das Eigenkapital deutlich aufgewertet (EK-Quote 21%).
Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) ist bereits seit 3 Jahren nachhaltig profitabel und konnte per 30. September im Vergleich zum Vorjahr um 12,7% gesteigert werden.
Anleihen Finder Redaktion: Herr Kamm, die Käufer von Mittelstands-Anleihen sind in der letzten Zeit von Insolvenzen und Zahlungsverzögerungen verunsichert, schlimmstenfalls sogar geschädigt worden. Kommt Ihre Emission da nicht zur Unzeit? Ist Ihr Angebot so viel besser, dass es auch der Stimmung im Markt trotzen kann?
Michael Kamm: Eine gute Emission muss auch in etwas schwierigerem Markt funktionieren. In meinen Augen ist es kein Qualitätssiegel, wenn eine Emission nur bei einem "Alles-Sonnenschein-Kapitalmarkt" funktioniert. Unsere Erfahrung war, dass die institutionellen Investoren am Beginn der Gespräche geprägt durch die Marktstimmung vorsichtig und skeptisch waren. Aber wenn wir unsere Strategie, unsere innere Ertragskraft, unsere neue Finanzaufstellung und unsere Marke erläutert haben, dann ist die Stimmung immer zu Gunsten unserer Anleihe und unseres Unternehmen ins Positive gekippt.
Anleihen Finder Redaktion: Im Dezember 2018 sollen die Anleger Ihr eingesetztes Kapital von der Sympatex Holding GmbH zurück erhalten - wo wollen Sie dann mit dem Unternehmen stehen?
Michael Kamm: Bis 2018 wollen wir unsere Umsatzanteile in unseren Zielmärkten verdoppelt haben. Das klingt durchaus ambitioniert, ist aus unserer Sicht aber dadurch, dass wir bereits heute gut in unseren entsprechenden Zielmärkten dieser Welt platziert sind, durchaus machbar. Mit den richtigen Maßnahmen werden wir die Sympatex-Gruppe zu einer weltweit etablierten Marke unter Betonung der ökologischen Vorteile entwickeln. Durch die bisher umgesetzten und geplanten Maßnahmen stehen uns entsprechende Wachstumsmittel schon jetzt zur Verfügung, womit wir in meinen Augen auf dem richtigen Weg sind.
Anleihen Finder Redaktion: Vielen Dank für das sehr offene Gespräch und viel Erfolg bei der Platzierung der Anleihe!
Anleihen Finder Redaktion
Foto: Sympatex Holding GmbH
Anleihen Finder Datenbank
Sympatex Holding GmbH 2013/2018
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