Karlsruhe (ots) - Es geht um viel, wenn der Bundestag in diesem Jahr das Thema Sterbehilfe rechtlich fassen will. Es geht um ein Thema, das die überalternde deutsche Gesellschaft mit großer Wucht treffen wird. Es geht auch um ein Thema, das die Rolle des Staates definiert, der eigentlich eher Wohl und Leben seiner Staatsbürger schützen muss, als Regeln für einen Suizid zu erstellen. Es dreht sich ökonomisch um die Frage, was wir uns Leben kosten lassen. Und es geht ganz zuoberst um ein elementares Prinzip: Welchen Wert hat Leben? Die Debatte, die der Bundestag führen wird, darf nur eine sein von vielen. Keiner darf sich dieser Frage nach dem Ende des Lebens in Würde entziehen. Immer mehr wissen um die Nöte von Menschen, die durch schwere Krankheiten in eine tiefe Sinnkrise stürzen. Die Frage nach der Sterbehilfe ist daher keine Frage, die mit ideologischem Pathos beantwortet werden kann und ebenso wenig mit der Parole am Stammtisch: "Lieber tot als pflegebedürftig." Will sich der Gesetzgeber diesem Thema ernsthaft stellen, so steht er vor einer hohen moralischen Abwägung und vor extremen Formulierungsschwierigkeiten. Keiner will, dass Sterbehilfe nur mit dem Strafrecht allein geregelt wird. Wie aber kann ein Gesetz gestaltet sein, das Sterbehilfe moralisch unangreifbar formuliert und Verfahren praktikabel macht? Wo überhaupt sind Grenzen bei der Hilfeleistung zu ziehen, ist der Fall einer über 90-jährigen Schlaganfallpatientin genau so zu bewerten wie der eines 50-jährigen Schlaganfallpatienten? Das Thema Sterbehilfe findet auch deshalb viel Nährboden, weil der Zustand der Pflege alter und kranker Menschen noch häufig unter dem Primat der Kassenlage steht. Die Pflege wird in Industriegesellschaften mit einem hoch entwickelten Versicherungssystem primär unter Kostengesichtspunkten definiert. Das ist ökonomisch vernünftig und fiskalpolitisch geboten, aber die Rationalität verstellt den Blick auf die humanitäre Ebene. Es gibt Pfleger, die von Schwerkranken berichten, die ernsthaft den Tod herbeiwünschten und Tage später mit strahlenden Augen die Blumen im Park bestaunen - was dem Patienten wie dem Pfleger die Augen für eine andere Wirklichkeit öffnet. Dem Schmerz ausgeliefert sein und der Hilfeleistung durch andere, solch eine Erfahrung wirft alles über Bord, was die auf Leistung, Schönheit und Erfolg getrimmte Gesellschaft heute wertschätzt. Es könnte gefährlich sein, würden daher genau diese Prinzipien darüber entscheiden, wie die Gesellschaft mit Menschen an ihrem Rande, in Heimen, Kliniken oder im privaten Pflegeumfeld umgehen muss. Und eines muss der Gesetzgeber wissen: ein Recht auf "Sterbendürfen" kann die Frage nach dem "Sterbensollen" unweigerlich nach sich ziehen.
OTS: Badische Neueste Nachrichten newsroom: http://www.presseportal.de/pm/104277 newsroom via RSS: http://www.presseportal.de/rss/pm_104277.rss2
Pressekontakt: Badische Neueste Nachrichten Klaus Gaßner Telefon: +49 (0721) 789-0 redaktion.leitung@bnn.de
OTS: Badische Neueste Nachrichten newsroom: http://www.presseportal.de/pm/104277 newsroom via RSS: http://www.presseportal.de/rss/pm_104277.rss2
Pressekontakt: Badische Neueste Nachrichten Klaus Gaßner Telefon: +49 (0721) 789-0 redaktion.leitung@bnn.de
© 2014 news aktuell