Karlsruhe (ots) - Respekt: Da steht jemand wie Markus Lanz seit Tagen im Mittelpunkt eines medialen Dauerfeuers und eines zutiefst gehässigen Shitstorm im Internet. Seit Tagen muss er hören, was er Schlimmes getan hat. Er hat eine Ikone der Linken, Sahra Wagenknecht, nicht ausreden lassen - schlimmer noch, er war nicht auf einer Wellenlänge mit ihr. Ein Verbrechen, das eine neue Sorte von Wutbürgern mit der lebenslangen Verbannung vom Bildschirm ahndet. Da sind schon robustere Naturen in die Knie gegangen. Und Lanz? Der geht einfach raus und zeigt in Karlsruhe Nerven aus Stahl. Keine Aussetzer, kein aufdringliches Heranmachen an Kandidaten und Stargäste, kein Angstschweiß - zumindest nicht erkennbar. Lanz machte es richtig, man muss schon mit der Lupe ran gehen, um an seiner Rolle beim Karlsruher Fernsehereignis etwas Substanzielles auszusetzen. Außer man hat generell etwas gegen einen gut aussehenden Mann, der zweieinhalb Stunden ein Millionenpublikum unterhalten kann ohne sich zum Affen zu machen. Und ohne Emublut oder gequirlte Känguruhoden, wie es zeitgleich mehr Zuschauer zum Dschungelcamp bei RTL lockte. Wenn letzteres die Zukunft der Fernsehunterhaltung sein soll, dann sollte man beim ZDF lieber auf den zweiten Quotenplatz vom Samstagabend stolz sein. "Wetten, dass..?" ist natürlich nicht mehr das oft beschriebene ganz große Lagerfeuer, das die Familien über die Generationen am Bildschirm vereint. Das liegt nicht an Lanz, sondern eher an der Turbo-Auswahl von Möglichkeiten, die die modernen Zeiten so bieten. Aber es liegt auch an Lanz, dass die Show weiter eine familientaugliche Form der Unterhaltung ist. Die nicht die niedersten Triebe befriedigt, sondern in weiten Teilen amüsiert. Etwa wenn Lanz mit seinen Gästen harmoniert, vor allem mit dem eloquenten "Bergdoktor" Hans Sigl, dessen Duett mit Peter Maffay sicher der stärkste Moment des Abends war. Lanz kann sich auch mal zurücknehmen, ein Talent, das Vorgänger Gottschalk nicht immer beschieden war. Lanz hält auch mal die Klappe wie etwa bei jener nadelsuchenden Kandidatin am Rande des Nervenzusammenbruchs. Was wäre einem denn lieber in einer derartigen Show? Etwa ein seltsam überdreht-hysterischer Schauspieler wie Matthias Schweighöfer bei der packenden Außenwette? Mehr Regina Halmich, die für ihre Heimatstadt Ehre einlegte, statt Schweighöfer, das wäre ein Verbesserungsvorschlag. Dass wie einst bei Gottschalk munter Werbung für Filme, Platten oder Bücher gemacht wird, ist der Preis für prominente Gäste. Dass auf der Wettcouch flache Herrenwitze durch Atze Schröder gerissen wurden, wen stört es angesichts viel gröberen Unsinns in anderen Sendungen? Zur Erinnerung: Nachdem sich andere Moderatorengrößen feige in die Büsche geschlagen haben, traute sich Markus Lanz was, als er das einzig verbliebene Flaggschiff der deutschen Fernsehunterhaltung übernahm - samt dem gelegentlich irrlichternden Kurs einer ZDF-Unterhaltungsredaktion, für den Lanz nichts kann. Karlsruhe hat "Wetten, dass ..?" nicht aus der Krise gebracht, doch sicherlich eine Atempause verschafft. Es wird sicher zunächst mit Lanz weitergehen - oder das ZDF muss eine völlig neue Show erfinden, wenn man das ganze Konzept für altmodisch hält.
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