Im schweren Konflikt mit Russland um die Annexion der Krim wollen die EU-Staats- und Regierungschefs schärfere Sanktionen auf den Weg bringen. Eine bereits bestehende Strafliste könnte um etwa ein Dutzend Personen erweitert werden, berichteten Diplomaten am späten Donnerstagabend in Brüssel. Einreiseverbote und Kontensperrungen gelten bislang gegen 21 Verantwortliche aus Russland und der Krim. Die politische Spitzenebene um den russischen Präsidenten Wladimir Putin ist bisher nicht betroffen.
Für den Fall einer Zuspitzung der Lage in der Ukraine drohten die Europäer ausdrücklich mit den lange umstrittenen wirtschaftlichen Sanktionen. Möglich sind ein Waffenembargo, die Einschränkung von Aktivitäten russischer Banken in der EU und ein Exportbann für Spitzentechnik. Der für Juni geplante Gipfel der EU mit Russland wird abgesagt.
Die Staatenlenker sprachen zum Auftakt ihres Gipfels zwar mit deutlichen Worten in Richtung Kreml. Doch Washington geht härter vor. Die US-Regierung fror am Donnerstag die Vermögen von 16 russischen Regierungsbeamten, Mitgliedern des inneren Zirkels der Führung in Moskau, sowie der Rossija-Bank in den USA ein. Durch eine Anordnung von US-Präsident Barack Obama ist außerdem der Weg frei für Sanktionen gegen ganze russische Wirtschaftszweige. Die Gegenreaktion aus Moskau ließ nicht lange auf sich warten: Russland kündigte Einreisesperren gegen neun US-Vertreter an.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte in Brüssel: "Wir werden sehr deutlich machen, dass wir bei einer weiteren Eskalation bereit sind, wirtschaftliche Sanktionen einzuführen." Frankreichs Präsident François Hollande sagte, Wirtschaftssanktionen müssten "auf jeden Fall vorbereitet werden." Auch der britische Premier David Cameron forderte, es seien "mehr Aktionen im Lichte der Ereignisse auf der Krim" nötig.
Zudem isoliert die Europäische Union Russland weiter und sagt den EU-Russland-Gipfel ab. "Er kann unter diesen Umständen nicht stattfinden", sagte Hollande. "Es gibt eine Aussetzung der politischen Beziehungen." Das Treffen sollte am 3. Juni am Rande des G8-Gipfels im russischen Sotschi stattfinden. Merkel hatte zuvor in ihrer Regierungserklärung deutlich gemacht, dass Moskau derzeit kein Mitglied der Staatengemeinschaft G8 mehr sei.
Bei Gipfel warnte EU-Parlamentschef Martin Schulz, die Annexion der Krim sei eine Realität: "Die russische Regierung hat Fakten geschaffen. Unsere Botschaft muss sein: Es reicht! Das darf sich nicht wiederholen, ohne ernste Konsequenzen zu haben."
Neben Sanktionen gegen Russland wollen die EU-Staaten auf der anderen Seite die Ukraine stabilisieren - auch um einen ruhigen Ablauf der für Mai geplanten Wahlen sicherzustellen. Am Freitag der politische Teil des EU-Partnerschaftsabkommens mit der Ukraine unterzeichnet werden. Der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk kam dafür nach Brüssel. Der Wirtschaftsteil des Abkommens mit dem Freihandel im Mittelpunkt soll erst später unterschrieben werden.
Der Gipfel beschloss zudem das Ende des Bankgeheimnisses für Ausländer. Die Staats- und Regierungschefs einigten sich darauf, das neun Jahre alte Zinssteuergesetz zu verschärfen, wie luxemburgische Diplomaten berichteten. Dies bedeutet eine Ausweitung des Informationsaustauschs zwischen den Steuerbehörden der EU-Länder. Auch Luxemburg und Österreich, die bisher am Bankgeheimnis für EU-Ausländer festhalten, ziehen mit./cb/DP/he
AXC0334 2014-03-20/23:55