Nach dem Sturm prorussischer Kräfte auf öffentliche Gebäude in der Ostukraine ist es am Montagabend zu heftigen Auseinandersetzungen mit ukrainischen Sicherheitskräften gekommen. Spezialeinheiten räumten in der Millionenstadt Donezk ein von moskautreuen Kräften besetztes Geheimdienstgebäude. Auch in der zweitgrößten Stadt Charkow kam es zu Zusammenstößen. Demonstranten besetzten einen Fernsehsender. Ob die Spezialeinheiten auch gegen weitere besetzte Verwaltungsgebäude im russischsprachigen Osten vorgehen würden, war zunächst unklar.
Die USA und Russland vereinbarten angesichts der angeheizten Lage in der Ukraine einen neuen Anlauf für eine diplomatische Lösung der Krise. US-Außenminister John Kerry und sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow einigten sich nach Angaben aus Washington telefonisch auf direkte Gespräche. An dem Treffen innerhalb der nächsten zehn Tage sollten auch Vertreter der Europäischen Union und der Ukraine teilnehmen, teilte das US-Außenministerium am Montag mit.
Kerry habe Lawrow dazu gedrängt, sich von den "Separatisten, Saboteuren und Provokateuren" zu distanzieren. Die Aktionen seien anscheinend keine "spontane Reihe von Ereignissen", sondern eine "orchestrierte Kampagne mit russischer Unterstützung". Jeder weitere Versuch Moskaus, die Ex-Sowjetrepublik zu destabilisieren, werde "weitere Kosten" nach sich ziehen.
In der Stadt Donezk hatten die Besatzer des Gebäudes der Gebietsverwaltung am Montag eine souveräne Volksrepublik ausgerufen. Sie kündigten spätestens für den 11. Mai ein Referendum über einen Anschluss an Russland an - nach dem Vorbild der Schwarzmeer-Halbinsel Krim. Zudem forderten die Protestierer Kremlchef Wladimir Putin auf, "Friedenssoldaten" zu entsenden.
Anders als auf der Krim gibt es in den ostukrainischen Gebieten an der Grenze zu Russland aber keine Mehrheit für einen Beitritt zur Russischen Föderation. Zudem hat Moskau die selbst ernannte Vertretung bisher nicht anerkannt und hat auch - im Gegensatz zur Schwarzmeerflotte auf der Krim - keine Truppen dort stationiert.
Präsident Barack Obamas Sprecher Jay Carney sprach von "starken Hinweisen", dass zumindest einige der prorussischen Kräfte bezahlt worden seien. Er wiederholte Obamas Worte, der bei neuen Interventionen Russlands in der Ukraine mit "weiteren Konsequenzen" gedroht hatte. Eine offene oder heimliche Intervention in der Ost-Ukraine bedeute eine "ernsthafte Eskalation".
Moskau wies jede Verantwortung zurück. "Genug der Anschuldigungen gegen Russland, das für alle aktuellen Probleme der Ukraine verantwortlich gemacht wird", teilte das Außenamt in Moskau mit.
Die Bundesregierung zeigte sich besorgt über die Lage in der Ostukraine. Regierungssprecher Steffen Seibert appellierte in Berlin an "alle Verantwortlichen, zur Stabilisierung der Region beizutragen und solche Eskalationen zu vermeiden". Zugleich drohte er Russland erneut mit einer weiteren Sanktionsstufe.
Das Auswärtige Amt will vorerst keine deutschen Diplomaten mehr auf die Krim reisen lassen. Hintergrund ist die Sorge, dass dies als völkerrechtliche Anerkennung der Annexion durch Russland verstanden werden könnte. Die Nato schränkte die Bewegungsfreiheit der 70 russischen Diplomaten innerhalb der Nato-Zentrale in Brüssel ein. Künftig dürfen sich nur noch der Botschafter, sein Stellvertreter und zwei Mitarbeiter frei im Gebäude der Nato-Zentrale bewegen.
In der zweitgrößten Stadt Charkow planten moskautreue Aktivisten am Montag mit Verstärkung aus anderen Städten ein Zeltlager zu organisieren - wie zuletzt bei antirussischen Demonstrationen auf dem Maidan, dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew. Dort hatten blutige Proteste zum Machtwechsel in der Ex-Sowjetrepublik geführt.
In Lugansk leitete die Staatsanwaltschaft ein Verfahren ein, nachdem Aktivisten das örtliche Geheimdienstgebäude gestürmt hatten. Dabei waren am Sonntag mehrere Menschen verletzt worden. Die Miliz in Lugansk wurde in "Kampfbereitschaft" versetzt, wie die Behörden mitteilten. Die Zufahrtsstraßen zur Stadt seien gesperrt. Maskierte im Geheimdienstgebäude sollen die Waffenkammer geplündert haben.
Kreml-Chef Putin will sich in der kommenden Woche ausführlich zu dem Konflikt äußern. Am 17. April sei dazu im Staatsfernsehen die traditionelle Sendung "Direkter Draht" mit dem Kremlchef geplant, berichtete die Zeitung Moskauer "Kommersant".
Russland erneuerte angesichts der Krise in der Ukraine seine Forderung nach einem föderalen Staat, in dem die Gebiete ein weitgehendes Recht auf Selbstbestimmung haben. Putin hatte auch Vorwürfe des Westens zurückgewiesen, eine Militärintervention in der Ukraine zu planen.
Auf der Krim gab es unterdessen einen tödlichen Zwischenfall: Ein russischer Soldat erschoss einen ukrainischen Offizier im Streit, wie Behörden mitteilten. Der russische Soldat sei dabei von dem angetrunkenen 32 Jahre alten Offizier angegriffen und verletzt worden und habe dann die tödlichen Schüsse abgefeuert. Es werde wegen Mordes ermittelt, sagte Justizsprecher Andrej Wassilko der Agentur Interfax./mau/DP/he
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