Regensburg (ots) - Vier Verhandlungsrunden liegen bereits hinter den Unterhändlern der EU und der USA. Und eine fünfte ist noch vor der Sommerpause geplant. Eine Einigung über die transatlantische Freihandelszone TTIP scheint mit jeder neuen Runde in weitere Ferne zu rücken. Je mehr Europäer und Amerikaner ins Detail gehen desto größer werden die Probleme. Jüngstes Beispiel ist die Opposition aus dem US-Kongress gegen geschützte Namen für Produkte aus bestimmten Regionen. Die EU besteht darauf, dass beispielsweise "Feta" nur Käse aus Griechenland, Parma der Schinken aus Italien und "Kölsch" das Obergärige aus Köln heißen dürfen. In einem Brandbrief an den US-Handelsbeauftragten Michael Froman und US-Landwirtschaftsminister Tom Vilsack verlangt ein überparteiliches Bündnis, dass Lebensmittelhersteller ihre Produkte auch künftig so nennen dürfen, wie sie wollen. Alles andere sei schädlich für das Geschäft und die Verbraucher. Die Gesetzgeber wittern hinter der Brüsseler Forderung nichts anderes als eine Finte, Hersteller in der EU vor der Konkurrenz von außen zu schützen. Die Europäer regen sich umgekehrt über Gen-Mais und Chlorhühnchen auf, die für Kosten-Effizienz zu Lasten von Umwelt und Verbraucherschutz stehen. Um einen ruinösen Preiswettbewerb zu verhindern, sollen die als minderwertig empfundenen Nahrungsmittel grundsätzlich draußen bleiben. So geraten das "Chlorhühnchen" und die "Brat" wechselseitig zum Symbol für das Misstrauen zwischen den Handelspartnern. Kein Wunder, dass die Verhandlungen nicht richtig vom Fleck kommen. Dabei sollte TTIP ein Katalysator sein, der Europäer und Amerikaner wieder näher zusammenbringt. Seine Anhänger schwärmen vom größten gemeinsamen Wirtschaftsraum mit 700 Millionen Verbrauchern, der weltweit Maßstäbe für den Handel setzen könnte und nebenbei Hunderttausende Jobs schafft oder sichert. Der ehrgeizige Fahrplan zu Beginn der TTIP-Verhandlungen im vergangenen Jahr ist inzwischen Makulatur. Dafür gibt es zu viele ungelöste Hindernisse. Wobei der Verbraucherschutz und Umweltstandards nur einen Bereich ausmachen. Die Amerikaner bestehen auf der Übernahme ihrer strengen Regeln für die Finanzindustrie, die Europäer wollen ihre Kulturwirtschaft schützen. Washington liegen die Interessen amerikanischer Investoren am Herzen, Brüssel die Datensicherheit seiner Bürger und Unternehmen. In den USA gibt es - wie hierzulande - vor allem bei Gewerkschaftern und Umweltschützern erhebliche Vorbehalte. Das hilft zu erklären, warum es das Weiße Haus nicht besonders eilig hat, zu Ergebnissen zu kommen. Im November stehen die "Midterms" an, bei denen das Repräsentantenhaus und ein Drittel der Senatoren neu gewählt werden. Die demokratische Mehrheit im Senat steht auf der Kippe. Die Demokraten brauchen jede Unterstützung, die sie kriegen können. Deshalb haben ihre Führer im Kongress ausgeschlossen, dem US-Präsidenten umfassende Handelsvollmachten einzuräumen. Aus demselben Grund gerieten auch die parallelen Gespräche über ein transpazifisches Handelsabkommen (TTP) der USA mit Japan, Australien, Vietnam und acht anderen Staaten in die Sackgasse. Die zur Wiederwahl anstehenden Repräsentanten und Senatoren wollen sich nicht in die Position bringen lassen, am Ende nur "ja" oder "nein" zu dem Verhandlungsergebnis sagen zu können. Die grundsätzliche Frage bleibt, ob die transatlantischen Partner die Globalisierung gestalten wollen oder von ihr getrieben werden. TTIP und TTP deckten immerhin zwei Drittel des globalen Handels ab. Bei aller berechtigten Kritik besteht die Gefahr, dass Europäer und Amerikaner die strategische Chance verpassen, soziale und ökologische Standards für den Weltmarkt aufzustellen.
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