Kein dramatischer Rechtsruck in Europa, aber Frankreichs Rechtsextreme im Höhenflug: Bei der Europawahl haben Kritiker und Gegner der EU in einigen Ländern teils starke Zugewinne erzielt. In Frankreich, einem Mutterland der europäischen Bewegung, gelang es der rechtsextremen Front National, als stärkste politische Kraft jede vierte Stimme zu gewinnen.
In einigen Teilen Europas profitierten die Rechten vom Frust über die EU-Bürokratie und einer schlechten Wirtschaftslage mit hoher Arbeitslosigkeit. Harte Sparprogramme der Regierungen und Ängste vor mehr Zuwanderung stärkten nationale Kräfte.
Der befürchtete dramatische Rechtsruck in ganz Europa dürfte aber ausgeblieben sein. Laut ARD-Schätzungen könnte der rechte Flügel aus Populisten, Rechtsextremen und EU-Kritikern im neuen Europa-Parlament auf bis zu 90 der insgesamt 751 Sitze kommen.
Vor der Wahl waren Gespräche führender Rechtspopulisten zur Bildung einer einheitlichen Rechtsfraktion weitgehend gescheitert. Dennoch könnte mit ihren Erfolgen die Mehrheitsfindung im zersplitterten EU-Parlament schwieriger werden. Eine Länder-Übersicht:
DEUTSCHLAND: Die eurokritische AfD schafft es bei ihrer ersten Europawahl gleich auf 6,8 bis 7,0 Prozent. Für die rechtsextreme NPD, die etwa ein Prozent bekommt, zieht Ex-Parteichef Udo Voigt als einziger Abgeordneter ins Europaparlament ein.
FRANKREICH: Die rechtsextreme Front National hat die Europawahl mit über 25 Prozent klar gewonnen - vor fünf Jahren waren es noch 6,3 Prozent. Die Sozialisten des französischen Präsidenten François Hollande wurden als dritte Kraft abgestraft. Hollande dürfte nun bei seinem Reformkurs noch mehr Gegenwind bekommen - das könnte auch für Europas wichtige Achse Berlin-Paris Folgen haben. FN-Chefin Marie le Pen fordert schon, Hollande müsse sich Neuwahlen stellen.
NIEDERLANDE: In den Niederlanden hatte schon am Donnerstag überraschend der Rechtspopulist und Europaskeptiker Geert Wilders eine deutliche Schlappe erlitten.
GROSSBRITANNIEN: Auf der Insel wurde mit einem starken Abschneiden der rechtspopulistischen Unabhängigkeitspartei UKIP von Nigel Farage gerechnet, die einen Austritt des Landes aus der EU anstrebt.
ITALIEN: Die Folgen von Europas Staatsschuldenkrise dürften italienischen Populisten Zulauf gebracht haben. So wurde für die Fünf-Sterne-Partei von Beppo Grillo, den Ex-SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück einst als Clown verspottete, ein zweistelliges Ergebnis erwartet. Sie ist keine extreme Gruppe, punktete bei den Italienern in Umfragen aber mit der Forderung nach radikalen Reformen in Brüssel.
GRIECHENLAND: Der Beinahe-Staatsbankrott, wachsende Armut sowie die als Spardiktat empfundenen Reformprogramme aus Brüssel und des Währungsfonds in Washington haben Radikalen Auftrieb gegeben. Die rechtsextreme und antisemitische Partei "Goldene Morgenröte" wurde laut Hochrechnung mit 9,3 Prozent drittstärkste Kraft.
ÖSTERREICH: Die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) kann an den Erfolg bei der nationalen Parlamentswahl anknüpfen und kommt auf 19,5 Prozent - ein Zuwachs von fast sieben Prozentpunkten für die Populisten.
SCHWEDEN: Die rechtspopulistischen "Sverigedemokraterna" (Schwedendemokraten) ziehen nach Prognosen mit 7,0 Prozent zum ersten Mal ins Europaparlament ein.
DÄNEMARK: Die rechtspopulistische Dänische Volkspartei ("Dansk Folkeparti") ist stärkste Kraft geworden. Nach einer Prognose bekam sie 23,1 Prozent und drei Sitze im EU-Parlament.
FINNLAND: Als "Wahre Finnen" wurden die Rechtspopulisten bekannt, jetzt hat es unter dem Namen "Basisfinnen" laut Prognosen für 12,8 Prozent und zwei Sitze gereicht./tb/DP/zb
AXC0051 2014-05-25/23:05