Regensburg (ots) - Dass mit Barack Obama ein schwarzer Präsident im Weißen Haus den Jahrestag markiert, hat zweifelsohne Symbolkraft. Wohl kaum einer der Bürgerrechtler, die damals ihr Leben riskierten oder gar verloren, hätten sich 1964 die Wahl eines Afro-Amerikaners in das mächtigste Amt der Welt vorstellen können. Die Realität vor allem im Süden der USA verwies diese Vorstellung in das Reich der Träume. In Mississippi etwa konnten aufgrund der diskriminierenden "Jim-Crow"-Gesetze überhaupt nur sechs Prozent der Schwarzen bei Wahlen ihre Stimme abgeben. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs versuchten Abgeordnete im Kongress jedes Jahr, die Rassentrennung zu beenden. Und scheiterten. Präsident Lyndon D. Johnson nutzte den Mord an John F. Kennedy als Katalysator, den von JFK ersonnenen "Civil Rights Act" auf dem Capitol Hill durchzusetzen. Während Senatoren der Südstaaten im Kongress über 82 Tage lang mit dem längsten Filibuster der Geschichte versuchten, das Ende der Rassentrennung zu verhindern, tyrannisierte der Mob vor Ort die schwarze Bevölkerung und deren Unterstützer. Die Rassisten zündeten allein in diesem Sommer 65 Kirchen und Wohnhäuser an, feuerten in 35 Fällen scharfe Munition ab und schüchterten ihre afro-amerikanischen Nachbarn ein. Unterstützung erhielten sie von lokalen Sicherheitskräften, die wegschauten und Verbrechen ungesühnt ließen. Allen voran den Mord an Andrew Goodman, Michael Schwerner und James Chaney in Mississippi. Die drei jungen Bürgerrechtler wurden zu Märtyrern des "Freedom Summers", während dem rund tausend Studenten wohlhabender Familien des Nordens kamen, um Afro-Amerikaner als Wähler zu registrieren. Das ist der historische Kontext, der verstehen hilft, wie groß die Umbrüche sind, die der "Civil Rights Act" für die amerikanische Gesellschaft gebracht hat. Zugang zu öffentlichen Plätzen und Unterkünften, politische Teilhabe und Bildung sowie das explizite Verbot von Diskriminierung aufgrund von Rasse, Hautfarbe, Religion, Sexualität oder nationaler Herkunft am Arbeitsplatz sind unbestreitbare Errungenschaften. Umgekehrt wäre es blauäugig zu glauben, es gebe heute keine Diskriminierung mehr. Sie ist nicht mehr so offenkundig, aber besteht strukturell fort. Sei es beim Zugang zu guten Schulen und bezahlbaren Colleges oder Aufstiegschancen am Arbeitsplatz. Mit 25 Prozent liegt die Armutsquote bei den Afro-Amerikanern doppelt so hoch wie im Durchschnitt. Schwarze sind die ersten, die in Krisenzeiten ihren Job verlieren und die letzten, die wieder Arbeit finden. Besonders krass sind die Verzerrungen im Strafrecht. Ronald Reagan legte mit seinem "Krieg gegen die Drogen" den Grundstein für ein modernes "Jim-Crow"-Regime. Die drakonischen Strafen für Drogenmissbrauch ließen die Zahl der Häftlinge von 300 000 auf über zwei Millionen ansteigen. Damit haben die USA heute den höchsten Anteil an Gefangenen an der Gesamtbevölkerung weltweit. Acht Mal höher etwa als in Deutschland. Die überwältigende Mehrheit der Eingebuchteten sind schwarze Männer. Deren Chance, wegen derselben Vergehen im Gefängnis zu landen, ist 25 Mal größer als das weißer Amerikaner. Nach ihrer Entlassung werden sie Bürger zweiter Klasse, denen viele Rechte vorenthalten bleiben. Deshalb sprechen Kritiker von einer Rückkehr der Diskriminierung durch die Hintertür. Alarmierend sind auch die Versuche auf der Rechten, das Rad der Geschichte beim Wahlrecht zurück zu drehen. Fünfzehn Bundesstaaten erließen Gesetze, die es Schwarzen und Minderheiten erschweren, ihre Stimme abzugeben. Der "Civil Rights Act" ist nach 50 Jahren zwar Geschichte, wird im Alltag aber weiter herausgefordert. Daran hat auch die Wahl Barack Obamas nur wenig geändert.
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