Cottbus (ots) - Es kann nicht verkehrt sein, mit einer guten Nachricht einzusteigen: Fast jeder Zweite der wahlberechtigten Bevölkerung hat gewählt. Das heißt, er hat die Möglichkeit ergriffen, per Stimmzettel Einfluss auf die Zukunft des Landes Brandenburg zu nehmen. Die dunkle Kehrseite: Mehr als 50 Prozent haben es nicht getan. Ein Ergebnis, dass dem sächsischen vor zwei Wochen entspricht. Das Interesse an den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen hat ein historisches Tief erreicht. Auch sonst gibt es erstaunliche Parallelen zur Sachsenwahl: Die Partei, die seit der Wende regiert, bekommt erneut die Mehrheit. Was den Sachsen die CDU, ist den Brandenburgern die SPD. Die AfD nimmt allen Parteien, auch den Linken und der NPD, Stimmen weg und zieht mit einem zweistelligen Ergebnis ins Brandenburger Landesparlament. Die NPD - eine wahrlich gute Nachricht - scheitert an der Fünf-Prozent-Hürde, die FDP versinkt im politischen Niemandsland. Die Grünen haben es erneut knapp geschafft. Der größte Verlierer außer der FDP sind die Linken. Ihre Wähler - ja, wo sind sie geblieben? Die geringe Wahlbeteiligung wirft eine der besonders spannenden Fragen auf: Verliert die Landespolitik an Bedeutung? Zumindest in den Köpfen der Wähler. Von 1990 bis 2014 sank die Wahlbeteiligung in Sachsen von 74 auf 49, in Brandenburg von 67 auf voraussichtlich unter 50Prozent. Das bedeutet nicht, dass sich die Menschen im Land nicht für Landespolitik interessieren. Es könnte damit zu tun haben, dass viele Bürger nichts ändern wollen und deshalb auch nicht abstimmen. Möglich ist aber auch, dass sie nicht glauben, dass die Landespolitik noch größeren Einfluss auf ihr Leben hat. Ein Zweifel, dass die SPD der Sieger sein wird, kam während des Wahlkampfs nie auf. Zwar hielt der CDU-Spitzenkandidat Michael Schierack tapfer dagegen, indem er laut verkündete, Ministerpräsident werden zu wollen. Geglaubt hat er es vermutlich nicht. Spannend wird sein, wie die Christdemokraten das Abschneiden der AfD interpretieren. Die Sozialdemokratisierung der CDU lässt offenkundig viel Raum für die Emporkömmlinge aus der "Alternative für Deutschland". Zufrieden ist mit Sicherheit Dietmar Woidke. Obwohl er in dem einen Jahr, seit er die Rolle des Ministerpräsidenten einnimmt, nicht den Bekanntheits- und Beliebtheitsgrad seiner Vorgänger Matthias Platzeck und Manfred Stolpe erreichen konnte, fuhr er ein gutes Ergebnis ein. Das hängt damit zusammen, dass er fleißig daran gearbeitet hatte, sich bekannt zu machen - auch auf dem flachen Land. Mit Sicherheit hat die niedrige Wahlbeteiligung etwas mit dem watteweichen Kuschelwahlkampf zu tun, in dem sich die meisten Kandidaten sehr darum bemühten, sich nicht gegenseitig auf die Füße zu treten. Die Positionen lagen zu keiner Zeit weit auseinander. Kohle in der Lausitz? Spielte im Wahlkampf keine zentrale Rolle. Bildung? Mehr Lehrer und weniger Stundenausfall fordern beziehungsweise versprechen sie alle. Kriminalität? Genau so: Mehr Sicherheit fordern beziehungsweise versprechen alle. Und so weiter, und so fort. Keine großen Debatten, keine Visionen, kaum Konflikte - eine weichgespülte politische Auseinandersetzung. Die Rechnung: Viele Wähler blieben zu Hause und die AfD sammelte die Proteststimmen ein. Ein Blick in die Zukunft: Der im Wahlkampf weitgehend ausgeblendete BER-Großflughafen bleibt das große Brandenburgthema. Auch das Thema Bildung brennt. Das brandenburgische Bildungssystem hat durchaus Stärken, aber es vernachlässigt die Leistungsträger, die sich in den Niederungen des Schulalltags fast schon schämen müssen, wenn sie ein wenig herausstechen. Hier muss ein anderer Geist einziehen. Und schließlich das große Thema Demographie: 2030 wird ein Drittel der Brandenburger in Rente sein - eine Herausforderung, die einer weitsichtigen Politik bedarf. Genau daran mangelt es in Brandenburg. Es sind eher Verwalter als Visionäre, die in den bisherigen Regierungsparteien, aber auch in der Opposition den Takt vorgeben. Sollte sich das nicht ändern, entwertet sich die Landespolitik selbst. Und darf sich nicht wundern, wenn die Hälfte der Wähler zu Hause bleibt.
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