Regensburg (ots) - Mal ganz ehrlich: Man muss schon Bilanzprüfer oder Finanzexperte sein, um die hunderte Seiten umfassenden Zahlenkolonnen interpretieren zu können, die Europäische Bankenaufsicht und Europäische Zentralbank gestern in Frankfurt veröffentlichten. Sie hatten die 130 größten Kreditinstitute des Euroraums unter die Lupe genommen, die Bilanzen des vergangenen Jahres überprüft und einen "Schwarzen Freitag" simuliert, um zu sehen, ob im Krisenfall das Eigenkapital ausreicht, um verunsicherte Gläubiger rasch auszuzahlen. 25 Bankhäuser hatten am Stichtag nicht genug Eigenkapital, darunter die Münchner Hypo als einziges deutsches Institut. Käme es erneut zu einer Finanzkrise wie nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers, würden die Rücklagen nicht ausreichen, um trotz versiegender Kreditquellen allen Verpflichtungen nachzukommen. Doch niemand muss sich jetzt um sein Erspartes sorgen, auch die belgischen Bankkunden nicht, wo es gleich zwei Kredithäuser traf. Erstens gilt für jeden Sparer in Europa die Garantie, dass Einlagen bis zu 100 000 Euro aus einem Notfonds ersetzt werden. Und zweitens droht diesen Banken Zahlungsunfähigkeit erst dann, wenn es wieder zu einer Schockreaktion kommt wie 2008, als faule Hypothekenkredite in den USA platzten. Der Stresstest soll dafür sorgen, dass sich die Banken sanieren oder aufgelöst werden, bevor es zur nächsten Krise kommt. Die Münchner Hypo war seit dem Stichtag der Prüfung, dem 31. Dezember 2013, nicht untätig und hat ihr Kapital bereits aufgestockt - wie auch elf weitere europäische Banken. Deshalb würden nach heutigem Stand nur noch 13 Finanzinstitute beim Test durchfallen. Auch Unternehmen wie die Deutsche Bank, die gar nicht auf der Schwarzen Liste stand, haben ihre Eigenkapitalquote in den letzten Monaten erhöht und damit ihre Prognose für Krisenzeiten verbessert. Für den Bankkunden ohne spezielle Vorkenntnisse ist es in vielen Fällen unmöglich, das Risiko seines Handelns einzuschätzen. Er kann die Finger von Anleihen aus Krisenstaaten lassen und bei auffällig hohen Renditen zwei Mal hinsehen. Er kann aber nicht die Bilanz seiner Hausbank lesen und daraus ableiten, ob er dort Anleihen zeichnen oder ein Sparbuch eröffnen sollte. Die Bank wiederum wird ihre Eigenkapitalquote nur erhöhen, wenn ihr jemand auf die Finger schaut. Denn Geld, das als Sicherheit herumliegt, bringt nichts ein und kostet nur. Wer seine Produkte günstiger anbieten kann als die Konkurrenz, lockt damit Kunden an. Doch die meisten Anleger wollen nicht Lotto spielen. Der Stresstest gibt ihnen Orientierungshilfe. Die EU-weite Bilanzprüfung schafft Transparenz und Vertrauen - Grundvoraussetzung für eine gute Zusammenarbeit zwischen Kunden und ihren Geldhäusern und für einen besseren Geldfluss der Institute untereinander. Der eigentliche Skandal besteht darin, dass es ja auch vor der Lehman-Pleite sehr wohl ein Aufsichtssystem gab. Jedes EU-Land hatte seine Bankenaufsicht, in Deutschland war die Bafin dafür verantwortlich, dass die Kredithäuser ihr Risiko im Griff behielten. Die Europäische Bankenaufsicht EBA mit Sitz in London sollte für den europäischen Überblick sorgen. Heute wissen wir, dass diese Behörden nachlässig waren und vor unangenehmen Wahrheiten zurückschreckten. Deshalb wurde in Rekordzeit ein neues Gremium bei der Europäischen Zentralbank geschaffen, das vom 4. November an die 120 wichtigsten Banken der Eurozone gründlich überwachen soll. Wenn die neuen Aufseher Probleme klar und deutlich benennen und sich im Ernstfall nicht scheuen, die geregelte Abwicklung einer Bank anzuordnen, dann ist das die beste Medizin gegen eine neuerliche Finanzkrise.
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