Bielefeld (ots) - Nikolaus Schneider, oberster Protestant dieses Landes, hat Kritik geübt, die es in sich hat. Von den organisierten Vertretern hier lebender Muslime verlangt der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD) deutlichere Worte gegen die Legitimierung von Gewalt im Koran. Eine berechtigte Forderung, wenn man an Vormarsch, Methoden und Ziele des »Islamischen Staates« (IS) denkt. Genau daran dürfte auch Schneider gedacht haben, als er die kriegerische Ausbreitung des Islams »mit Feuer und Schwert« betonte. Man sollte den EKD-Chef nicht dafür kritisieren, dass er erst wenige Tage vor Ende seiner Amtszeit - morgen wählt die Synode in Dresden seinen Nachfolger - solch klare Aussagen wagt. Es ist heikel, sich als Kirchenmann so zum Islam zu äußern. Hätte der Theologe dies kurz nach seinem Amtsantritt vor vier Jahren getan, wäre seine Amtszeit von Beginn an belastet gewesen. Ende 2010 erkannten allenfalls gewiefte Geostrategen einen »Islamischen Staat« und dessen Bedrohung am fernen Horizont entstehen. Und Papst Benedikt XVI. musste sich seine Regens-burger Rede vom 12. September 2006, in der er eine mittelalterliche Einschätzung zur Gewalt im Islam nur zitiert hatte, sechs Jahre vorhalten lassen. Im Gegensatz zu seinem Vorvorgänger, dem Berliner Bischof Wolfgang Huber, setzte Nikolaus Schneider auf einen freundlichen Diskurs mit den Muslimverbänden. Als EKD-Ratsvorsitzender hatte Huber im sogenannten interreligiösen Dialog die Unterschiede zwischen Christentum und Islam nicht vergessen - und in der »Handreichung zum Umgang mit den Muslimen« unterstreichen lassen. Derzeit entsteht eine Neufassung der Broschüre. Dass sie in Abstimmung mit muslimischen Verbänden erarbeitet werden soll, spricht für sich. Hat es die EKD tatsächlich nötig, sich den Segen der Islamvertreter zu holen? Statt in vermeintlich politischer Korrektheit vorauszueilen, sollten die Protestanten mehr Mut zu ihren eigenen Werten haben. Viele Gläubige haben kein gutes Gefühl dabei, dass ihre Kirche einer intoleranten Kultur mit übertriebener Toleranz begegnet - bis zur Selbstaufgabe. Denn es ist nichts anderes als das, wenn der Martinsumzug zum Laternenfest umgewidmet wird, damit sich keine muslimischen Kinder oder deren Eltern ausgegrenzt fühlen. Ob in der Kita oder bei der Unterstützung von Flüchtlingen: Der Umgang mit Muslimen und dem Islam gehört für die evanglische Kirche zum Tagesgeschäft. Deswegen sollte sie sich stabil aufstellen. Wer Nikolaus Schneider nachfolgt, sollte den Schwerpunkt des Wirkens weniger auf wohlfeile Abrahamsfeste legen, sondern sich vielmehr dafür einsetzen, dass der christliche Glaube sichtbar gelebt wird.
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