Bielefeld (ots) - Der »Veggie Day« ist abgesagt, die Agrarwende soll die Verbraucher jetzt zum Guten bekehren. Gut gebrüllt, möchte man sagen. Wird es für die nur noch zweitstärkste Oppositionspartei im Bundestag immer schwieriger sich Gehör zu verschaffen und Themen zu besetzen, tischt sie dem Wahlvolk jetzt das große Wort von der Agrarwende auf. Ein Blick auf die Umsetzung der stockenden Energiewende lässt allerdings schon jetzt erahnen, wie groß die Erfolgsaussichten für das Vorhaben der 8,4-Prozent-Partei sind: sehr gering. War die Energiewende von Kanzlerin Angela Merkel unter dem Eindruck der Fukushima-Katastrophe noch im breiten politischen Konsens eingeleitet worden, wird sich dies beim Agrarthema nicht wiederholen. Das liegt aber nicht nur an der Bundestagsarithmetik. Der jährlich mit 55 Milliarden Euro subventionierte EU-Agrarmarkt ist noch weitaus stärker europaweit verwoben als die Energiebranche. Wenn ein Land neue, grundlegend veränderte Produktionsstandards nur für sich allein setzt, kann dies eigentlich nicht funktionieren. Wer meint, im nationalen Alleingang beispielsweise die Bedingungen für die Massentierhaltung verbessern zu müssen - so löblich das sicherlich ist -, wird damit die Billigproduzenten ins Ausland verdrängen und die Importquote erhöhen. Davon profitiert am Ende niemand. »Gutes Essen ist kein Luxus« hieß auf dem Bundesparteitag der Grünen. Beim Preisvergleich zwischen einem Kotelett aus der Bio-Metzgerei und dem aus der Discounter-Kühltruhe könnten einem da allerdings Zweifel kommen. Das Problem: Bio-Produkte sind in den meisten Bereichen weiterhin hochpreisige Nischenwaren, die sich viele Normalverdiener schlichtweg nicht leisten können. Das belegen auch Umfragen, in denen sich in schöner Regelmäßigkeit eine breite Mehrheit für die ökologische Nahrungsmittelproduktion ausspricht, die Marktanteile in der Realität dem aber bei Weitem nicht entsprechen. Sicher, die Grünen greifen mit der Agrarwende ein Thema von globaler Tragweite auf. Die fortschreitende Industrialisierung der Landwirtschaft richtet große Umweltschäden an. Monokulturen zerstören die Artenvielfalt, der Einsatz von Antibiotika in der Tiermast befördert die Entstehung multiresistenter Keime, der Import von Futtermitteln aus armen Ländern ist ethisch nicht vertretbar. Lösungen können aber, wenn überhaupt, nur auf internationaler Ebene gefunden werden. Die Zeichen deuten mit dem transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP und dem rasant wachsenden Fleischhunger von 1,4 Milliarden Chinesen allerdings in eine andere Richtung. Da wirkt es etwas putzig, wenn die kleine Partei der Grünen jetzt das ethische korrekte Essen als ihr Hauptgericht auswählt. Am Ende ist es der mündige Verbraucher, der entscheidet, was bei ihm auf den Tisch kommt.
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