Nach wochenlangem Streit haben die Spitzen der großen Koalition eine Frauenquote von 30 Prozent für die größten Unternehmen in Deutschland festgezurrt. Die Partei- und Fraktionschefs von Union und SPD einigten sich am Dienstag bei einem Treffen im Kanzleramt darauf, dass ab 2016 knapp ein Drittel der Aufsichtsratsposten in 108 börsennotierten Unternehmen von Frauen besetzt sein soll - und das ohne Ausnahmen. Das Gesetz soll am 11. Dezember vom Kabinett verabschiedet werden, hieß es in einer Erklärung.
Es bleibt demnach auch bei den von Frauenministerin Manuela Schwesig und ihrem Justizkollegen Heiko Maas (beide SPD) vorgesehenen Sanktionen gegen Unternehmen, die die Quote unterschreiten. Sollten die Firmen die Posten nicht ausreichend mit Frauen besetzen, bleiben die Stühle künftig leer. Die Frauenquote gilt nach der schwarz-roten Koalitionsvereinbarung auch für Unternehmen im öffentlichen Bereich.
Zuvor hatte ein "Heulsusen"-Streit das Koalitionsklima belastet. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) hatte SPD-Familienministerin Manuela Schwesig in ihrem Einsatz für die Frauenquote Weinerlichkeit vorgeworfen. SPD-Chef Sigmar Gabriel unterstellte Kauder daraufhin prompt ein Frauen-Problem. Und SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi kritisierte den 65 Jahre alten Kauder in der "Nordwest-Zeitung" mit den Worten: "Ich finde, das war ein unsäglicher Macho-Spruch." Das zeuge von Überheblichkeit und "schlechter Kinderstube".
Nach den ruppigen Tönen wollten Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel, CSU-Chef Horst Seehofer, SPD-Chef Sigmar Gabriel und die Bundestagsfraktionsvorsitzenden bei ihrem Treffen knapp ein Jahr nach dem Start der schwarz-roten Koalition ein Signal der Harmonie senden.
Die CSU und CDU hatten Schwesig vor zu viel Bürokratie durch umfängliche Berichtspflichten und Quoten durch die Hintertür für weitere Unternehmen gewarnt. Kauder hatte vor dem Treffen Schwesig im ZDF-"Morgenmagazin" aufgefordert, sich an die Regeln zu halten. "Die Frau Familienministerin soll nicht so weinerlich sein, sondern sie soll den Koalitionsvertrag umsetzen, dann ist alles in Ordnung."
Gabriel sagte über Kauders Bemerkung: "Wenn Männer das als nervig empfinden, zeigt das eher, dass Männer ein Problem haben." Es sei Schwesigs Aufgabe, "zu nerven, wenn die Dinge so im Argen liegen". Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt twitterte, die Heulsuse der großen Koalition sei in Wahrheit Kauder. Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Ulrich Grillo, warnte hingegen vor Belastungen: "Gesetzliche Quoten sind kontraproduktiv."
Daneben ging es im Kanzleramt auch um Flüchtlinge. Die SPD will in den nächsten Wochen durchsetzen, dass der Bund Städten und Gemeinden mit bis zu einer Milliarde Euro bei der Unterbringung und den Gesundheits- sowie Bildungskosten für die nach Deutschland vor Krieg und Gewalt geflüchteten Menschen hilft. Nach dem Treffen wurde betont, man wolle die Länder substanziell unterstützen, eine konkrete Summe wurde aber nicht genannt.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte sich zuvor verstimmt gezeigt über das Vorpreschen Gabriels, der die SPD-Forderung öffentlich gemacht hatte. "Es könnte ja sein, dass Herr Gabriel das, was er da gesagt hat, gar nicht erfunden hat, sondern dass er es nur als erster öffentlich gemacht hat und dass es die Gespräche seit längerem gibt", so de Maizière. "Wir sind der Meinung, dass wir erst dann etwas verkünden, wenn es am Ende der Debatte ist."/ir/bk/DP/he
AXC0240 2014-11-25/23:48