Bielefeld (ots) - 2014 war das Jahr des Gedenkens, sagt Angela Merkel mit Blick auf die historischen Daten: Erster Weltkrieg, Fall der Mauer. Gedenken, das klingt besinnlich. Doch davon konnte keine Rede sein. Putin, die Mörderhorden des Islamischen Staats und eine vor sich hinkriselnde Realwirtschaft sorgten dafür, dass es in der EU durchaus nicht geruhsam zuging. 2015 wird das nicht anders sein. Was wird die EU-Oberen vordringlich beschäftigen? Frans Timmermans, erster Vizepräsident der EU-Kommission und Schlüsselfigur im neuen Brüsseler Führungspersonal, sagt: das Investitionspaket von Kommissionschef Juncker. Nigel Farage, britischer EU-Verächter und Schandmaul im Europaparlament, prophezeit: Griechenland und Großbritannien. Recht haben sie beide. Junckers Paket, mit dem 315 Milliarden Euro für Infrastruktur und Modernisierung mobilisiert werden sollen, ist schon jetzt von Zweifeln umlagert. Nicht nur wegen der Details der Umsetzung oder der Frage, ob tatsächlich mit einer Ausgangssumme von 21 Milliarden Euro öffentlichem Geld der fünfzehnfache Betrag "gehebelt" werden kann. Offen ist auch die Stichhaltigkeit der Grundannahme: dass ein voluminöses Interesse privater Anleger auf der einen, eine gewaltige Menge zukunftsträchtiger Vorhaben auf der anderen Seite nur darauf warten, durch einen bescheidenen Vorschuss Staatsknete zusammengebracht zu werden. Fragezeichen begleiten auch das zweite groß angelegte Eigenblut-Doping der EU-Ökonomie. Womöglich schon im ersten Quartal will EZB-Chef Draghi sich mit dem umfassenden Ankauf von Staatsanleihen gegen Deflation stemmen und die Konjunktur ankurbeln. Es ist ein riskantes Spiel, mal abgesehen vom Streit um die Zulässigkeit, der besonders in Deutschland Politik und Fachwelt entzweit. Vor zwei Jahren, als es um die Linderung des Zinsdrucks in den Euro-Problemländern ging, erreichte Draghi das Ziel allein mit der Ankündigung der Bereitschaft zum Handeln. Diesmal wird er nicht darum herumkommen, den Worten Taten folgen zu lassen - mit ungewissem Ausgang. Den Beweis, dass sie "nicht nur Haushalt, sondern auch Wachstum kann" (Merkel), muss die EU noch liefern. Und das parallel zum nächsten Schub politischer Turbulenzen in Griechenland. Heute entscheidet sich dort, ob noch diesen Winter gewählt wird. Ans Ruder käme womöglich der linke Volkstribun Tsipras, der seinen Landsleuten versprochen hat, sie vom Joch der Brüsseler Sparpolitik zu befreien. Die Aussicht auf einen Erfolg der Linken sorgt für Nervosität an den Märkten und bei den Managern der Euro-Zone. Dito bei Teil zwei des Farage-Szenarios: der stetigen Abdrift Großbritanniens. Im Mai will sich Premierminister Cameron wiederwählen und alsdann das Volk entscheiden lassen, ob es aus der EU austreten will. Es wäre ein Verlust, den die EU als politische Macht nur schwer verkraften würde. Dabei wird die EU als internationaler Akteur im kommenden Jahr stärker gefordert sein als jemals zuvor. Für den Krisenraum Syrien/Irak ist eine zusammenhängende Strategie nicht in Sicht. Im Verhältnis zu Russland gerät die Geschlossenheit der EU in der Sanktionenfrage unter schweren Druck. Schon zuletzt war sie nur noch mühsam zu halten gewesen. Im März, dann wieder im Juni/Juli steht die Verlängerung der verhängten Maßnahmen an, unter verschärften Rahmenbedingungen. Russlands Finanzsystem wankt, die Wirtschaft geht in die Knie. Beide Seiten der Debatte, Hardliner wie Brückenbauer, sehen sich bestätigt. Immerhin hat die EU im unruhigen Gedenkjahr 2014 ihren umständlichen Personalwechsel (Parlament, Kommission, Europäischer Rat) hinter sich gebracht. Für die neuen Leute gibt es indes keine Schonfrist. 2015 wird innen- wie außenpolitisch der Leistungsnachweis fällig.
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