Bielefeld (ots) - Erinnern Sie sich noch an das Unwort des Jahres 2010? Es lautete »alternativlos«. Begründung der Jury: »Das Wort suggeriert sachlich unangemessen, dass es bei einem Entscheidungsprozess von vornherein keine Alternativen und damit auch keine Notwendigkeit der Diskussion und Argumentation gebe. Behauptungen dieser Art sind 2010 zu oft aufgestellt worden, sie drohen, die Politikverdrossenheit in der Bevölkerung zu verstärken.« Vier Jahre später hat das Unwort offenbar im Kanzleramt ausgedient - zumindest, soweit es die Euro-Rettung betrifft. »Spiegel«-Journalisten wird auf Berliner Fluren zugeraunt, dass sich die deutsche Regierung gegen einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone wohl nicht mehr sperren würde. Zitieren lassen sich weder Kanzlerin Angela Merkel noch ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU), und der Regierungssprecher wird mit Beschwichtigungsplattitüden vorgeschickt. Das ist verständlich. Denn die Kanzlerin wie ihr Finanzminister sähen sich andernfalls dem Vorwurf ausgesetzt, Druck auf die Griechen ausüben zu wollen. Wählt ihr links, gibt's kein Geld mehr - das wäre Wasser auf die Mühlen griechischer Merkel-Hasser, die sich nicht einmal entblöden, die Kanzlerin in die Nähe der Nazis zu rücken. Fragt sich nur, ob ein solches Versteckspiel funktioniert. Selbst ein bloßes Gerücht würde am Ende auf die deutsche Regierung zurückfallen. Dabei haben die Kritiker in einem Punkt recht: Bei der Euro-Rettung geht es in erster Linie um den Schutz der europäischen Einheitswährung und nicht um das Schicksal der betroffenen Länder. Dieses Ziel hat die Euro-Zone weitgehend erreicht. Irland, Portugal und Spanien haben den Rettungsschirm zurückgegeben, die Börsen fahren nicht mehr bei jedem neuen Gerücht aus der Schuldenküche Achterbahn. Anders als noch vor zwei Jahren erscheint der Euro-Austritt Griechenlands selbst Börsenprofis als kalkulierbare Alternative. Wahrscheinlich wäre ein Euro-Austritt sogar das Beste für Griechenland selbst. Denn den Schuldenberg von weit mehr als 300 Milliarden Euro kann das industrie- und rohstoffarme Land auf Jahrzehnte hinaus nicht abtragen. 3,7 Prozent Wachstum sagt die EU für das Jahr 2016 in Griechenland voraus. Selbst eingefleischte Optimisten winken ab: Das ist pure Illusion. Geschieht nicht noch ein griechisches Konjunkturwunder, wird ein Schuldenschnitt eines Tages unausweichlich werden. Mit einer deutlich schwächeren Drachme als Währung könnte es den Griechen gelingen, ihre EU-weit kaum konkurrenzfähige Volkswirtschaft auf niedrigerem Niveau neu zu organisieren. Ein solcher Schritt hätte jedoch einen hohen Preis: Die Euro-Länder müssten einen Großteil ihrer Forderungen abschreiben - allein Deutschland haftet mit mehr als 60 Milliarden Euro. Schäubles schwarze Null würde zu einem tiefroten Milliardenminus. Diese Wahrheit ist leider alternativlos.
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