Regensburg (ots) - Nous somme Charlie - Wir sind Charlie! Auch Tage nach dem Attentat auf die Redaktion des französischen Satire-Blattes bleibt die Fassungslosigkeit, weltweit solidarisieren sich Menschen mit "Charlie Hebdo": Doch Tage lang halten die Attentäter die Polizei in Atem, während immer mehr Details über die Brüder durchsickern, was die Behörden über sie alles wussten, und sie doch nicht stoppen konnten. Der 7. Januar 2015, das ist - wie es viele französische Medien ausdrückten - der europäische 11. September. Doch anders als die USA, die damals mit Vergeltungsschlägen und massiven Einschnitten von Freiheitsrechten reagierten, hat Europa hier die Gelegenheit, besonnener zu reagieren. So abscheulich diese Tat war, so unverantwortlich wäre es, sich von der Angst übermannen zu lassen oder sie zu instrumentalisieren. Das verhöhnt die Opfer. Doch nach der Schießerei vergingen nur wenige Stunden, bis der erste Unionspolitiker die Vorratsdatenspeicherung wieder ins Spiel brachte. Man wolle diesen Anschlag ja nicht instrumentalisieren, aber... Bundesinnenminister de Maizière: "Der Anschlag von Paris unterstreicht hier die Dringlichkeit." Zur Erinnerung: Das Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof haben diese Form der Massenüberwachung für verfassungswidrig erklärt, bis heute gibt es dafür keine Rechtsgrundlage - sondern nur die Angst vor einer Bedrohung. Und nicht nur das: In Kreuth forderte man noch mehr Befugnisse für die Sicherheitsbehörden und eine Verschärfung des Strafgesetzbuches. Auf den Angriff auf unsere Freiheit reagiert man also mit Grundrechtseingriffen und mehr staatlicher Überwachung. Sicherheit - bekanntlich ein "Super-Grundrecht" für die Union - gehe ja vor. Aber vielleicht geht das ja noch nicht weit genug, damit wir uns sicher fühlen können. Wie wäre es mit vorbeugender Schutzhaft, liberaleren Waffengesetzen oder der Todesstrafe? Siehe der Forderung einer französischen Volksvertreterin mit Sitz im Europäischen Parlament, die bald wieder als Präsidentschaftskandidatin antreten wird. Zur Erinnerung: In Frankreich setzt man auf Vorratsdatenspeicherung, die Behörden wussten, diese zwei Brüder sind gefährlich und gewaltbereit. Im Kugelhagel in den Pariser Redaktionsräumen starben auch zwei Polizisten, die für die Sicherheit des Chefredakteurs verantwortlich waren. All das unterstreicht nur eine alte Tatsache: Eine absolute Sicherheit kann es in einer freien Gesellschaft nicht geben. Wer daran nicht glauben will, steht den Zielen der Attentäter von Paris näher, als er vielleicht zu glauben imstande ist. Niemand bestreitet, dass man sich radikalen Gotteskriegern in den Weg stellen muss, und all jenen, die sich über den Mord an Journalisten freuen. Und niemand weiß das besser als diejenigen, die sich nun wieder von den Taten distanzieren müssen: die in Deutschland lebenden Muslime. Das zeigt nur eine ebenso bekannt Tatsache: Mit dem Islam beschäftigt man sich hierzulande nur dann, wenn es um Gräueltaten geht. Und genau dieser Reflex befeuert die Haltung jener Menschen, die ihre irrationalen Ängste vor Überfremdung auf die Straßen tragen und einen Kulturkampf heraufbeschwören. Der 7. Januar 2015 stellt somit auch Deutschland vor die Frage, was für eine Republik es sein will: eine, die die Freiheit schützt - oder eine, die sich versteckt. Vielleicht hätten die Unionspolitiker in Kreuth ihrem Gast aus Norwegen, Jens Stoltenberg, besser zuhören sollen, als er zu ihnen sagte: "Die Freiheit offener Gesellschaften ist unser bester Schutz, unsere beste Verteidigung gegen Terror."
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