Mainz (ots) - Darf Euphorie eine bestimmende Größe sein bei politischen Vorgängen? In einer Demonstration wie an diesem Sonntag in Paris? Euphorie - obwohl kaum 100 Stunden vergangen sind nach Terror, Tod und Verderben? Und dann auch noch bei einer Massenversammlung, in der Politikerinnen und Politiker in der ersten Reihe gehen, und erst dahinter die Masse der Bürger? Wir sind es nicht mehr gewöhnt, dass gesellschaftliche Ereignisse, die eng mit Politik zu tun haben, uneingeschränkt positive Gefühle wecken. Aber der Marsch von Paris, dessen Beispiel so viele gefolgt sind in ganz Europa, macht wahrlich Hoffnung - darauf, dass Solidarität mehr sein kann als taktisches Kalkül und PR für eindrucksvolle Fernsehbilder. Hoffnung also - so stark immerhin, dass ein wenig Euphorie mitschwingt. Das schmälert nicht die tiefe Trauer um die Opfer. Deren persönliches Schicksal, das Leid jeder einzelnen Familie, darf nicht in den Hintergrund geraten beim Blick auf das große Ganze. Ohne Sicherheit keine Freiheit Es geht um den Zusammenhalt, und damit letztlich um die Existenz einer lebenswerten Gesellschaft. Dieser Sonntag der Solidarität muss im Gedächtnis bleiben, damit die demonstrierte Friedlichkeit zwischen Religionen länger hält als bis zur nächsten Eifersüchtelei, der Schulterschluss der Regierenden stärker ist als der nächste Etatstreit, der Beifall für die Sicherheitskräfte, der am Sonntag immer wieder aufbrandete, in jedem Demonstranten tief verankert bleibt. Die Sicherheitsdebatte hat herausragende Bedeutung. Von den üblichen Komplott- und Verschwörungstheorien sollte sich dabei niemand die Zeit stehlen lassen. Es gilt nach wie vor: Freiheit ohne Sicherheit ist nichts wert. Und Freiheit ist leider nicht zum Nulltarif zu haben. Der Gedanke an die Todesstrafe, von Marine Le Pen gefordert, an Straflager wie Guantanamo und an Auswüchse wie die Sammelwut der NSA sind grotesk. Aber über Fluggastdaten, Vorratsdatenspeicherung und Trojaner muss ergebnisorientiert diskutiert werden. Deutschland schwebt dabei nicht in der Gefahr, von einem "Big Brother" à la Orwell heimlich beherrscht zu werden. Das lässt weder die europäische und schon gar nicht die deutsche Verfassungsgerichtsbarkeit zu. Herausragend auch die Frage, wie sich die Parteipolitik positioniert, und welchen Einfluss sie auf die Bürger nimmt. In Frankreich ist ein schwacher sozialistischer Präsident Wasser auf die Mühlen des rechtsextremen Front National. Es wird nicht so weit kommen, aber schon der Gedanke an eine Präsidentin Marine Le Pen lässt das Blut in den Adern gefrieren. In Deutschland lautet eine sehr spannende, nach wie vor unbeantwortete Frage: Wer ist eigentlich Pegida? Und was hat die AfD demnächst so vor?
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