Regensburg (ots) - Nach fünf Jahren Vorbereitung ist es soweit: Pilsen präsentiert sich als europäische Kulturhauptstadt. Nie zuvor hat eine Stadt diesen Titel getragen, die so nah an Ostbayern liegt. Und das ist bei weitem nur der banalste Grund, warum die westlichste Großstadt Tschechiens in den nächsten Monaten eine Reise wert ist. Viel spannender macht den Besuch das Programm, das von Artistik bis Puppenspiel die verschiedensten Kunstformen abbildet. Das die Geschichte der Stadt verarbeitet - etwa mit dem Volksfest zum 70. Jahrestag der Befreiung der Stadt durch die US Army - und in die weite Welt blickt: wie mit einer Ausstellung außergewöhnlicher Porträts von Maori, die der Pilsener Gottfried Lindauer um die vorletzte Jahrhundertwende in Neuseeland porträtierte. Pilsen, seit 1993 Partnerstadt Regensburgs, ist in den kommenden Monaten eine Reise wert, weil es zu einem bunten Schaufenster wird für unser Nachbarland Tschechien. Ein Land, das viel zu viele Menschen in Ostbayern noch immer vor allem wegen des günstigen Benzins, allenfalls wegen des Biers schätzen - das aber einen bemerkenswerten kulturellen Reichtum zu bieten hat. Ein Land, das sich trotz aller Schwierigkeiten in den 25 Jahren nach dem Ende des kommunistischen Regimes wieder stärker auf seine eindrucksvolle Geschichte besonnen hat. Als Schaufenster für Tschechien ist Pilsen auch deshalb geeignet, weil die Stadt fast immer ein Schmelztiegel der Kulturen war: von deutschen Siedlern gegründet, lebten hier jahrhundertelang deutsch- und tschechischsprachige Bewohner miteinander. Bis 1939 wohnten über 3000 Juden in Pilsen, die Synagoge ist bis heute die zweitgrößte Europas. Die Stadt ist ein Denkmal dafür, wie bunt Mitteleuropa schon vor 100 Jahren war - und ein Mahnmal dafür, wie politische Kurzsichtigkeit, Nationalismus und Hass diese Vielfalt dann zum Untergang brachten. Eine tragische Entwicklung, die in Pilsen ähnlich beeindruckende Spuren hinterlassen hat wie in anderen tschechischen Städten. Wen Pilsen fesselt, der darf auch auf Brünn, Olmütz, Znaim und Budweis gespannt sein. In den Köpfen der Entscheider in Ostbayern hat Tschechien längst einen wichtigen Platz. Die wirtschaftlichen Bande zum Nachbarn werden immer stärker: Laut der Bundesagentur für Arbeit arbeiteten 2014 über 30 000 tschechische Beschäftigte in Deutschland - davon allein 2000 im ostbayerischen Landkreis Cham. Tschechien ist der siebtwichtigste Handelspartner Bayerns, ein wichtiger Exportmarkt und ein noch wichtigerer Importpartner für den Freistaat. In der Politik ist das Verhältnis zwischen München und Prag so entspannt wie nie: Im Dezember 2014 hat eine ständige Vertretung Bayerns in Prag eröffnet. Die Wunden der Geschichte - die Gräuel der deutschen Okkupation in Tschechien, die Vetreibung der Sudetendeutschen - belasten die Gespräche immer weniger. In den Köpfen und Herzen der meisten Ostbayern spielt Tschechien noch immer eine Nebenrolle: Während für Tschechen Deutschland das Reiseziel Nummer eins ist - und Deutsch nach wie vor die zweitbeliebteste Fremdsprache - ist Tschechien für Bayern in der Regel höchstens ein Tagesausflugsziel - und die tschechische Sprache so exotisch wie Indonesisch. Pilsen 2015 bietet eine gute Chance, daran etwas zu ändern. Wir sollten sie nutzen.
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