Regensburg (ots) - Das gediegene Hamburg tickt etwas anders als der Rest der Republik. Es ist eher hanseatisch kühl als überschäumend. Und Veränderungen kommen nicht im Galopp, sondern Schritt für Schritt daher. Der Sozialdemokrat Olaf Scholz, der vor vier Jahren eine, für die Stadt eher untypische, zehnjährige Unions-Dominanz ablöste, wiederholte fast sein Wahlergebnis von 2011. Der einstige Bundesarbeitsminister wird die Hansestadt weiter regieren können, wenngleich er diesmal wahrscheinlich einen Partner brauchen wird. Die Grünen dienen sich bereits an. Besonders bemerkenswert an dem Erfolg von Scholz ist, dass er ihn gewissermaßen per Merkel-Effekt einfuhr. Der Hamburger ist solide, verlässlich und eher wortkarg, genau wie die Kanzlerin auch. Politische Experimente sind Scholz' Sache nicht. Der einstige Anwalt vermittelt den Menschen dagegen ein Gefühl von Sicherheit und Verständnis. Er ist wirtschaftsfreundlich und in gutem Sinne sozial-liberal. Mit solchen Qualitäten wurde man früher in der SPD zum Kanzlerkandidaten auserkoren. Und wer weiß, wenn Parteichef Sigmar Gabriel 2017 nicht gegen Angela Merkel antreten mag, dann kommt die SPD eigentlich nicht an Scholz vorbei. Zudem macht Scholz ein unternehmensfreundliche, pragmatische Politik, wie man sie zuletzt etwa von Gerhard Schröder erlebt hat. Der Hamburger Wahlsieger steht klar für die Ausrichtung seiner Partei auf die Mitte der Gesellschaft - und hatte damit schon zum zweiten Mal Erfolg. Auch das werden die Parteifreunde im Berliner Willy-Brandt-Haus aufmerksam registriert haben. Ins Bild des Hamburger Wahlergebnisses passt auch die wiedererwachte FDP. Seit der historischen Watsche der Bundestagswahl 2013 sind die Liberalen von Niederlage zu Niederlage geeilt. Der Absturz der Freidemokraten in die politische Bedeutungslosigkeit wurde von vielen Beobachtern bereits mit viel Häme und Schadenfreude vorausgesagt. Doch Hamburg hat gezeigt, Totgesagte leben offenbar länger. Aus der Malaise ist die Lindner-Partei damit zwar noch lange nicht heraus, doch es könnte sich der Trend verfestigen, dass in Deutschland, im Bundestag Platz ist für eine verlässliche Partei, die Marktwirtschaft und Freiheitsrechte des einzelnen hoch hält. Bei der Euro-kritischen Alternative für Deutschland ist dies offenkundig nicht der Fall, auch wenn der bald allein bestimmende Parteichef Bernd Lucke versucht, der AfD ein seriöses und bürgerliches Mäntelchen umzuhängen. Anders als in den ostdeutschen Ländern, Brandenburg, Sachsen und Thüringen, wo die Rechtspopulisten sogar zweistellige Ergebnisse einfuhren, schafften sie in Hamburg den Einzug in die Bürgerschaft nur sehr knapp. Aber die Stadt hat dort schon ganz andere Gruppen gesehen, etwa die Schill-Partei, die längst von der Bildfläche verschwunden ist. Das desaströse Abschneiden der Hamburger CDU wiederum wird der Union insgesamt Kopfzerbrechen bereiten. Von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen, bekommen CDU und auch CSU in großen Städten keine regierungsfähigen Mehrheiten mehr zustande. An der Elbe sind die Grünen, die offenbar gut in städtischen Milieus zurecht kommen, fast in Schlagweite. Gegen die Schwäche der Union in urbanen Zentren haben die Strategen bei CDU und CSU noch immer kein Mittel gefunden. Und sollte irgendwann einmal die Wahlkampflokomotive Angela Merkel ausfallen, könnte es ein ganz böses Erwachen geben. Hamburg tickt etwas anders als der Rest der Republik. Ein paar wichtige Fingerzeige für ganz Deutschland hat es bei der Wahl gestern dennoch gegeben.
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