Regensburg (ots) - Sind die Vereinbarungen von Minsk II bereits nach wenig mehr als 24 Stunden Makulatur? Geht der Krieg in der Ukraine jetzt in eine neue, noch gefährlichere Phase? Pessimisten bejahen diese beiden Fragen. Für die Friedensinitiative von Bundeskanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Hollande wäre das Scheitern ihrer Bemühungen doppelt tragisch. Zum einen für die Menschen in der Ukraine; das ohnehin schon am wirtschaftlichen Zusammenbruch stehende Land hätte weitere Opfer zu beklagen. Zum anderen für die Position des Westens. Putin wäre mit dem Scheitern von Minsk II das gelungen, was er ohnehin schon seit geraumer Zeit verfolgt: die Spaltung des Westens. Auf der einen Seite stünden dann die EU-Europäer, die den Ukraine-Krieg mit diplomatischen Mitteln lösen wollen. Ihnen gegenüber positionieren sich die USA, die Russland in seine Schranken weisen wollen. Ausgerechnet Präsident Obama, der sich bisher offiziell noch nicht entschieden haben will, ob er der Kiewer Regierung Waffen liefert, nannte Russland jüngst eine "Regionalmacht". Nicht nur für Moskaus Präsidenten Putin, auch für die allermeisten Russen dürften diese Worte mehr als eine Beleidigung gewesen sein. Sie schreien geradezu nach Rache. Obama hat mit dieser Äußerung leichtfertig Gräben vertieft, die ohnehin seit Jahren bestehen. Möglich, dass Putin das im Hinterkopf gehabt hat, als er vergangene Woche stundenlang mit Merkel, Hollande und seinem ukrainischen Amtskollegen Poroschenko in Minsk verhandelte. Für Putin und Russland dürfte es bei den Gesprächen in erster Linie nicht um einen tatsächlichen Waffenstillstand gegangen sein, sondern darum, dass das Land als internationaler Player ernstgenommen wird. Wenn sich Putin nun tatsächlich an den Ukrainern rächen wird, gilt seine Rache nicht nur den Regierungsvertretern in Kiew, sondern auch den USA. Sollten die Abmachungen von Minsk nicht halten und weder die Ukraine noch die pro-russischen Separatisten bereit sein, klein beizugeben und mit der Umsetzung von Minsk II zu beginnen, könnte die Ukraine Schauplatz eines blutigen Stellvertreterkriegs zwischen Moskau und Washington werden. Die Folgen kann niemand abschätzen, genauso wenig, ob sich der Krieg auf das Territorium der Ukraine begrenzen ließe. Derzeit führen die Entwicklungen im Nahen Osten täglich vor Augen, wohin solche Abenteuer führen: Der Irak ist genauso ein "gescheiterter Staat" wie Afghanistan und Pakistan. Die Europäer sollten sich eine neue Friedensinitiative überlegen, doch dieses Mal sollten sie nicht in den Osten, sondern nach Westen reisen. Vielleicht gelingt es Hollande und Merkel, Obama von Waffenlieferungen in den Osten der Ukraine abzuhalten. Die westlichen Staaten sollten bei dieser Krise zusammenstehen und nicht zulassen, dass Russland einen Keil zwischen sie treibt. Doch Realpolitik hat ihre eigenen Gesetze. Auch Merkel wird die bisherige deutsche Linie möglicherweise ändern und eine härtere Gangart gegenüber Russland einschlagen. Hoffentlich bleibt die Kanzlerin besonnen und lässt sich nicht von Scharfmachern auf einen Kurs bringen, der alle in Europa in einen Krieg führt. 70 Jahre nach Ende des Zweiten und 101 Jahre nach Anfang des Ersten Weltkriegs täte Europa gut daran, den Kurs fortzusetzen, den es die vergangenen Jahrzehnte beschritten hat: den des Friedens.
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