Bielefeld (ots) - Um markige Worte ist Ministerpräsident Alexis Tsipras offenkundig nie verlegen: Man habe »einen Kampf, aber nicht den Krieg« gewonnen, hat er nach der Vereinbarung von Brüssel wissen lassen. Dass Tsipras sein Land - zumindest verbal - in einem Krieg wähnt, sagt einiges über sein mangelndes Fingerspitzengefühl und fehlende politische Erfahrung aus, aber noch viel mehr über das Gefühlsleben der Griechen.
Längst wähnt sich Hellas kollektiv mit dem Rücken zur Wand und von den Staaten der Euro-Zone wahlweise erpresst beziehungsweise im Stich gelassen. Nur so wird plausibel, dass Tsipras und sein Finanzminister Gianis Varoufakis die Brüsseler Beschlüsse als einen Erfolg verkaufen können, der sie nüchtern betrachtet nicht sind. Etikettenschwindel hier (»Institutionen« statt »Troika«) und etwas Erleichterung dort (Primärüberschuss nur noch »angemessen« statt drei Prozent) - das war's auch schon.
Doch so verrückt es klingen mag, wir sollten froh sein, wenn Tsipras daheim weiter Vertrauen genießt. Denn so wenig die gesamte Euro-Zone für die Wahlversprechen der neuen griechischen Regierung in Haftung genommen werden darf, so gering muss unser Interesse an einem raschen Scheitern der Regierung Tsipras sein. So gesehen war Brüssel in der Tat für beide Seiten ein Erfolg. Ein neuer Anfang womöglich. Was er wert ist, wird sich nicht bei der Durchsicht der Reform- und Sparliste zeigen, auf die Europa wartet. Was er wert ist, wird das Handeln der griechischen Regierung in den nächsten Monaten zeigen. Wunderdinge darf man dabei kaum erwarten.
Muss man auch nicht. Wenn, ja wenn endlich Griechenlands Strukturprobleme in Angriff genommen würden: keine Steuerverwaltung, die die Steuern auch einzieht, kein funktionierendes Katasteramt und reiche Reeder, die nach wie vor geschont werden. Alles nicht neu, bloß hat sich hier in den vergangenen fünf Jahren leider so gut wie nichts getan. Was Wunder also, dass gestern durchsickerte, Maßnahmen gegen Korruption und Steuerbetrug würden auch jetzt zu den Kernpunkten des Papiers zählen.
Doch allem Ärger über jahrelange Untätigkeit und griechische Großmäuligkeit zum Trotz muss Europa auch klar sein: Wer glaubt, ein Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone lasse die Währungsgemeinschaft unberührt, irrt gewaltig.
Dass die 65 Milliarden Euro, mit denen Deutschland derzeit bürgt, auf einen Schlag verloren wären und über die EZB-Haftung langfristig womöglich weitere 23 Milliarden Euro, ist da noch das geringere Problem. Viel gravierender wäre, dass prompt die Frage im Raum stände, welches Land wohl als nächstes dran ist. Und mit Blick auf Griechenland wäre zu klären, wer hier einspringt: Russland oder gar China?
Nur wer all das für vertretbar hält, sollte dem »Grexit« das Wort reden. Alle anderen hingegen sollten sich weiter um den europäischen Erfolgsweg des Kompromisses bemühen - ist dieser auch noch so lang und steinig.
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Pressekontakt: Westfalen-Blatt Chef vom Dienst Nachrichten Andreas Kolesch Telefon: 0521 - 585261
Längst wähnt sich Hellas kollektiv mit dem Rücken zur Wand und von den Staaten der Euro-Zone wahlweise erpresst beziehungsweise im Stich gelassen. Nur so wird plausibel, dass Tsipras und sein Finanzminister Gianis Varoufakis die Brüsseler Beschlüsse als einen Erfolg verkaufen können, der sie nüchtern betrachtet nicht sind. Etikettenschwindel hier (»Institutionen« statt »Troika«) und etwas Erleichterung dort (Primärüberschuss nur noch »angemessen« statt drei Prozent) - das war's auch schon.
Doch so verrückt es klingen mag, wir sollten froh sein, wenn Tsipras daheim weiter Vertrauen genießt. Denn so wenig die gesamte Euro-Zone für die Wahlversprechen der neuen griechischen Regierung in Haftung genommen werden darf, so gering muss unser Interesse an einem raschen Scheitern der Regierung Tsipras sein. So gesehen war Brüssel in der Tat für beide Seiten ein Erfolg. Ein neuer Anfang womöglich. Was er wert ist, wird sich nicht bei der Durchsicht der Reform- und Sparliste zeigen, auf die Europa wartet. Was er wert ist, wird das Handeln der griechischen Regierung in den nächsten Monaten zeigen. Wunderdinge darf man dabei kaum erwarten.
Muss man auch nicht. Wenn, ja wenn endlich Griechenlands Strukturprobleme in Angriff genommen würden: keine Steuerverwaltung, die die Steuern auch einzieht, kein funktionierendes Katasteramt und reiche Reeder, die nach wie vor geschont werden. Alles nicht neu, bloß hat sich hier in den vergangenen fünf Jahren leider so gut wie nichts getan. Was Wunder also, dass gestern durchsickerte, Maßnahmen gegen Korruption und Steuerbetrug würden auch jetzt zu den Kernpunkten des Papiers zählen.
Doch allem Ärger über jahrelange Untätigkeit und griechische Großmäuligkeit zum Trotz muss Europa auch klar sein: Wer glaubt, ein Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone lasse die Währungsgemeinschaft unberührt, irrt gewaltig.
Dass die 65 Milliarden Euro, mit denen Deutschland derzeit bürgt, auf einen Schlag verloren wären und über die EZB-Haftung langfristig womöglich weitere 23 Milliarden Euro, ist da noch das geringere Problem. Viel gravierender wäre, dass prompt die Frage im Raum stände, welches Land wohl als nächstes dran ist. Und mit Blick auf Griechenland wäre zu klären, wer hier einspringt: Russland oder gar China?
Nur wer all das für vertretbar hält, sollte dem »Grexit« das Wort reden. Alle anderen hingegen sollten sich weiter um den europäischen Erfolgsweg des Kompromisses bemühen - ist dieser auch noch so lang und steinig.
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