Bielefeld (ots) - Späten Politiker-Bekenntnissen wohnt nicht selten der Hang zur Abrechnung inne. Das ist bei Peer Steinbrück ein wenig anders. Die zwar nicht neue Erkenntnis, seine Kanzlerkandidatur sei ein Fehler gewesen, stellt immerhin ein bemerkenswertes Maß an Selbstkritik unter Beweis. Zugleich hält der Buch-Autor selbstbewusst fest: Auch die SPD hat ihren Anteil am vermurksten Wahlkampf 2013. Ganz klar: Da ist jemand auch darum bemüht, das eigene Ansehen aufzupolieren. Doch das ist nicht alles. Denn wenn das Debakel nur Steinbrück beschädigt hätte, müsste es die SPD nicht sonderlich interessieren. Doch so rosig ist die Lage der Partei ja nicht. Steinbrücks Kritik lässt sich nicht einfach als Nachtreterei abtun. Im Gegenteil: Hier geht es nicht um bloße Vergangenheitsbewältigung, sondern um eine brandaktuelle Debatte in der SPD. Wohin muss die Reise gehen, um endlich aus dem 25-Prozent-Turm rauszukommen, in den die Bundespartei seit Jahr und Tag eingesperrt scheint? Genau auf diese Frage sucht Sigmar Gabriel eine Antwort. Noch tut er das nur als Parteichef. Doch so wie die Sache liegt, wird er in spätestens zwei Jahren auch als Kanzlerkandidat dazu vernommen werden. Schreiben sich nämlich die gegenwärtigen Kräfteverhältnisse fort, wird Gabriel einen Rivalen im Rennen um das Amt des nächsten SPD-Kanzlerkandidaten kaum fürchten müssen. Das freilich läge dann weniger an seiner Strahlkraft als an der Aussichtslosigkeit des Unterfangens, so es denn, wie zu erwarten, erneut gegen die Überkanzlerin Angela Merkel ginge. Strategisch hat Gabriel längst seine Schlüsse aus der krachenden Steinbrück-Pleite gezogen. Agiert er doch als Wirtschaftsminister weit moderater, als es insbesondere dem linken Flügel der SPD recht ist. Energiewende, TTIP, Steuerpolitik - der Chef eckt mit seinem klar auf die politische Mitte ausgerichteten Kurs andauernd in der eigenen Partei an. Wie zum Beweis unterstreicht sein Besuch in Saudi-Arabien, in welchem Spannungsfeld zwischen ökonomischen und geopolitischen Interessen auf der einen Seite und SPD-Wünschen andererseits sich der Vizekanzler bewegt. Dabei hat Gabriel stets viel zu verlieren, aber nur wenig zu gewinnen - egal, was er sagt und wie er auch handelt. Das ist das Dilemma der SPD, die sich links definiert, aber weiß, dass sie ohne die Mitte für den großen Sieg nicht in Frage kommt. Erst recht, wenn sie ein rot-grünes oder gar ein rot-rot-grünes Bündnis anstrebt, müsste sie dann doch gerade die Stimme der wirtschaftspolitischen Vernunft sein. Das bestätigt auch eine am Wochenende bekanntgewordene Studie, die der SPD ein »gravierendes Imageproblem« attestiert. Daher rührte auch der zentrale Fehler bei der Nominierung Steinbrücks. Ein Kandidat der Mitte sollte ein linkes Programm postulieren. Das konnte nicht gut gehen. Wenn es die SPD also 2017 ernsthaft mit Sigmar Gabriel versuchen will, muss sie sich auf seinen Kurs einlassen. Will sie es nicht, ist er der falsche Kandidat.
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