Regensburg (ots) - Es gibt ganz kurze Momente, da meint man, Kunst könne wirklich die Welt verändern. Eine hübsche Utopie, die sich im politischen Tagesgeschäft meist schnell verflüchtigt. Am Dienstag wird in Israel ein neues Parlament gewählt. Ob Hardliner Benjamin Netanjahu oder Izchak Herzog und sein linkes Bündnis die neue Regierung stellen, das entscheidet die Mehrheit an den Urnen und nicht eine Handvoll Dichter und Denker. Der Leipziger Messeschwerpunkt zu den deutsch--israelischen Beziehungen hat dennoch über den literarischen Mehrwert hinaus einen hohen politischen Wirkungsgrad. Er richtet die Aufmerksamkeit auf eine Beziehung, die eigentlich gar nicht sein kann. Seit dem 12. Mai 1965 arbeiteten die Israelis daran, ihr Misstrauen gegenüber den Mördern zu überwinden. Die Deutschen bekannten sich - vielleicht gelegentlich zähneknirschend, am Ende jedoch ohne Wenn und Aber - zu Schuld und Verantwortung. "Normal", hat Amos Oz in einem Essay geschrieben, könne und dürfe die Beziehung zwischen den Ländern niemals werden. Sie ist das Produkt unablässiger Bemühung, Dialogbereitschaft und eines Vertrauens, das von beiden Seiten regelmäßig als Vorschuss gewährt werden muss - etwa wenn erneut Krieg in Gaza ausbricht oder in Deutschland Neonazis öffentlich den Arm nach oben recken. Wer Bücher liest oder schreibt, sagt Amos Oz, begibt sich auf eine Reise in den Kopf eines Fremden. Und wenn die Reise zu Ende ist, ist der andere kein Fremder mehr. Viele erfolgreiche Bücher haben den Deutschen die Verfasstheit und Befindlichkeit der Juden und des Staates Israel nähergebracht - umgekehrt gilt dasselbe. Literatur ist ein immerwährender Dialog. Wer ins Gespräch kommt und im Gespräch bleibt, braucht meistens keine schärferen Waffen als das Wort. Angesichts der zahllosen Krisenherde auf der Welt kann die gewachsene, respektvolle Freundschaft mit Israel uns nur mit Stolz und auch ein wenig Hoffnung erfüllen. Zeigt sie doch, dass selbst in unlösbar scheinenden Konflikten noch Wunder möglich sind.
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