Regensburg (ots) - Ein hoher Pentagon-Mitarbeiter brachte die Situation im Nahen und Mittleren Osten kürzlich treffend auf den Punkt, als er sie mit dem Vorabend des Ersten Weltkriegs in Europa verglich. Die offene Frage sei nur, welches "Attentat auf einen Erzherzog" diesmal die große Konfrontation auslöse. Immer mehr spricht dafür, dass der von schiitischen Huthi-Rebellen in die Flucht geschlagene Präsident des Jemen Abdrabbuh Mansour Hadi diese Rolle übernimmt. Für die sunnitische Hegemonialmacht Saudi-Arabien jedenfalls liefert Hadis Sturz einen willkommenen Vorwand, die Muskeln spielen zu lassen. Riad bläst zum "Sturm der Entschlossenheit" gegen die vom Erzfeind Iran unterstützten Huthis und mobilisiert dafür eine arabische Koalitionsstreitmacht, die schon bald im Jemen mit Bodentruppen einmarschieren könnte. Dass die saudische Propaganda-Maschine ausgerechnet jetzt auf Hochtouren läuft, ist kein Zufall. Bieten sich die Huthis doch als idealer Hebel an, einen Atomkompromiss der P5+1 mit dem Iran in sprichwörtlich letzter Minute zum Entgleisen zu bringen. Dieses Ziel teilen die wahhabitischen Fundamentalisten in Riad mit dem rechten Likud-Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu, der das Regime in Teheran als Bedrohung der Sicherheit Israels sieht. Die israelisch-saudische Allianz zielt darauf ab, US-Präsident Barack Obama politisch so weit in die Ecke zu treiben, dass er die Annäherung an den Iran aufgibt. Niemand erfährt das unmittelbar so sehr wie US-Außenminister John Kerry, der in der Schweizer Konferenzstadt Lausanne einen diplomatischen Eiertanz aufführen muss. Während er versucht mit seinem iranischen Kollegen Javad Zarif die letzten Hindernisse eines Nuklear-Deals vor Ablauf der Frist am Dienstag aus der Welt zu schaffen, versichert er den Saudis in einer Telefonkonferenz Rückendeckung der USA im Kampf gegen die Huthis. Das strategisch überragende Ziel der Amerikaner bleibt, dem Iran auf diplomatischem Weg den Bau einer Atombombe zu verweigern. Dass ausgerechnet dieses Bemühen den Kontext einer Großkonfrontation zwischen Arabern und Persern, Schiiten und Sunniten liefern könnte, gehört zur Tragik einer Region, die politisch, ethnisch und religiös so viele offene Rechnungen hat. Experten wie Richard Haas halten einen 30-jährigen Dauerkonflikt für möglich. Realpolitiker wie er haben längst begriffen, dass in diesem Teil der Welt der Feind des Feindes nicht automatisch ein Freund der USA sein muss. Das gilt für die Saudis, die den Islamischen Staat ideologisch und monetär gepäppelt haben, aber auch für den Iran, der im Jemen Milizen unterstützt, die den US-Drohnenkrieg gegen die brandgefährliche "Al-Kaida der arabischen Halbinsel" gestoppt haben. Der Vorwurf an Präsident Obama, kein Rezept zu haben, den Nahen und Mittleren Osten zu befrieden, unterstellt, es gäbe eines. Dabei ist die Idee einer "Pax Americana" spätestens seit der US-Invasion des Irak gründlich diskreditiert. Warum sollte den USA heute in einer ganzen Region glücken, was sie in zehn Jahren Besatzung mit 100 000 Soldaten und fast zwei Billionen Dollar an Kosten im Irak nicht vermochten? Der Arabische Frühling brachte ein paar mutige Intellektuelle auf die Straße, aber ließ auch die IS-Extremisten aus den Löchern kommen. Alte Despoten gingen, um neuen Platz zu machen. Es blieben die inneren Konflikte, die sich von außen bestenfalls moderieren, aber kaum lösen lassen. Hinter der Vorhaltung, Präsident Obama fehle eine Blaupause zur Lösung des Nah-, Mittelost-Puzzles steckt Wunschdenken. Die Realität ist leider komplexer und legt die Vermutung nahe, dass Pragmatismus den eigenen Sicherheitsinteressen in diesem Teil der Welt am allermeisten dient.
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