Bielefeld (ots) - Noch am Samstag mahnte Papst Franziskus mehr Unterstützung Italiens bei der Bewältigung der Flüchtlingsströme an. »Es ist offensichtlich, dass die Ausmaße des Phänomens eine sehr viel weitreichendere Beteiligung erfordern«, kritisierte er die europäische und internationale Staatengemeinschaft. Die entsetzlichen Nachrichten, die Stunden später um die Welt gehen, verleihen den Worten des Papstes eine beklemmende Aktualität: Wieder ein Flüchtlingsdrama auf dem Mittelmeer, wieder viele Tote - diesmal vielleicht sogar 700. Hätte das Schicksal dieser Menschen verhindert werden können, wenn mehr Patrouillenschiffe im Mittelmeer gekreuzt wären? Eine Garantie dafür gibt es nicht - offenbar brachten die Flüchtlinge das Boot in Panik selbst zum Kentern. Aber es ist eine Schande für Europa, nicht mehr für den Schutz dieser Menschen zu unternehmen. Statt Empathie gibt es Bürokratie. »Derzeit hat die EU-Kommission weder das Geld noch die politische Rückendeckung, um ein europäisches Grenzschutzsystem auf den Weg zu bringen, das Such- und Rettungsoperationen durchführen könnte«, hatte eine Kommissionssprecherin noch am Donnerstag gesagt, als nach dem Kentern eines Flüchtlingsbootes bis zu 400 Tote befürchtet wurden. So viel politische Eiseskälte angesichts der Apokalypse auf dem Mittelmeer hätte man bislang nicht für möglich gehalten. Vielleicht kaschiert die Kommission ja nur ihr schlechtes Gewissen. Neun Millionen Euro pro Monat kostete das italienische Seenotrettungprogramm »Mare Nostrum«. Dieses Geld wollte Italien nicht länger allein aufbringen. Also folgte im November 2014 die europäische Mission »Triton« - ein Drittel so teuer, aber 100 Prozent ineffektiv. Anders als bei der italienischen Mission sind die Schiffe jetzt nur noch in der 30-Meilen-Zone vor der italienischen Küste unterwegs. Die libysche Küste ist 160 Seemeilen von der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa entfernt. Dazwischen liegen 130 Meilen hohe See, die zum Massengrab für Flüchtlinge werden. Gewiss: Auf die Flüchtlingsfrage gibt es keine einfache Antwort. Laxe Abschieberegelungen fördern jenseits des Mittelmeers blauäugige Begehrlichkeiten nach einer besseren Zukunft in Europa, und solange Schleuser weitgehend unbehelligt bleiben, werden sie ihre perfide Profitmaschinerie um jeden Preis am Laufen halten. Verstärkte Entwicklungshilfe in Afrika ist notwendig, aber sie wird nur langfristig wirken. Viele Herausforderungen also, denen sich die EU und ihre Staaten stellen müssen. Dazu soll es nun einen Masterplan geben. Den will die EU bis Mitte Mai entwickeln - in aller Seelenruhe. Eines aber duldet keinen Aufschub mehr: besserer Schutz für die Bootsflüchtlinge. Umfangreich und engagiert. Alles andere wäre die endgültige moralische Bankrotterklärung Europas.
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