Frankfurt (ots) - Willkommen in der Wirklichkeit! Getrieben von
der kapitalfressenden Regulierung, der auf dem Einlagengeschäft
lastenden Abschaffung der Zinsen, von der Digitalisierung und nicht
zuletzt von der viele Milliarden Euro verschlingenden Aufarbeitung
diverser Finanzskandale macht sich die Deutsche Bank auf zu einem
Rendezvous mit der Realität. Mit seiner "Strategie 2020", die
einschneidend, aber nicht radikal daherkommt, liegt der
Branchenprimus teilweise sogar - das verdient Anerkennung - "vor der
Kurve".
Eine Verbesserung der Verschuldungsquote auf mindestens 5% kann
angesichts der heutigen 3,4% als sportliche Vorgabe gelten, die nicht
nur immer gerade das Minimum dessen nachvollzieht, was die Aufsicht
verlangt. Auch die Reduzierung des bisher weit verfehlten
Renditeziels von mehr als 12% nach Steuern auf über 10% auf das -
Achtung, neue Definition! - "materielle" Eigenkapital bedeutet eine
Annäherung an die neue Regulierungswelt, in der das Geldverdienen für
Banken nicht leichter wird. Und der Abbau von bis zu 200 der gut 700
blauen Filialen ist ein ebensolcher Schritt mit Blick auf
Digitalisierung und das dramatisch veränderte Kundenverhalten.
Ein Ziel der Regulierung ist ja, endlich das bis dato ungelöste
Too-big-to-fail-Problem besser in den Griff zu bekommen. Dem kommt
der Geldkonzern entgegen mit dem deutlichen Zurückschneiden seines
Investment Banking und dem hauseigenen "Trennbankenmodell" - Abstoßen
der Postbank samt Kapitalerhöhung durch die Hintertür via erneute
Börsenplatzierung der Tochter. Die neue Deutsche Bank wird immerhin
etwas kleiner, weniger komplex und risikoexponiert und auch ein wenig
bescheidener sein als der Finanzkoloss, dessen Bilanz im ersten
Quartal, teils wechselkursbedingt, sogar einen Wachstumssprung um 14%
auf annähernd 2 Bill. Euro erfuhr. Nebenbei: Dieses Plus ist in
absoluten Zahlen nahezu das Doppelte dessen, was die Bank durch die
Neupositionierung ihres Investment Banking netto an Exposure abbauen
will.
Raus aus den Kartoffeln
Soweit das Institut mit der neuen Strategie weitere Veränderungen
des regulatorischen Umfelds antizipiert, trifft das Argument der
Co-Vorstandsvorsitzenden Jürgen Fitschen und Anshu Jain sicher zu,
dass sich die Welt während der Finanzkrise, an deren Vorabend die
Postbank erworben worden sei, nun mal komplett verändert habe.
Dennoch mutet man mit dem seit vielen Jahren praktizierten "Rein in
die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln" allen Stakeholdern
namentlich am Beispiel des Retail Banking eine Menge zu. War nicht
noch vor wenigen Monaten das Hohelied der weit vorangeschrittenen
Integration von Deutscher Bank und Postbank zum blau-gelben
"Powerhouse" für 28 Millionen Privatkunden geschmettert worden? Ab
sofort wird das mühsam und für viel Geld zusammengeführte Gebilde
sicher nicht weniger mühsam wieder entflochten. Etwas mehr
Kontinuität - Strategie hat ja etwas mit Langfristigkeit zu tun - und
weniger offenkundige Umsetzungsdefizite täten not. Gerade im erst
1959 gestarteten Mengengeschäft fällt die Bank durch eine ungute
Tradition der Strategiewechsel auf, seit damals bei der Einführung
des privaten Kleinkredits "der Mob" die Schalter stürmte und eine
Zweigstelle bei der Zentrale anfragte, ob sie schließen dürfe.
Beschämend genug
Dass es jenseits unbestreitbarer Fortschritte etwa in puncto
Kapitalausstattung an der Umsetzung hapert und wichtige Klassenziele
nicht erreicht wurden, räumt das Führungsduo gerade mit Blick auf die
Kosten unumwunden ein; um "hausgemachte Rückschläge" wird nicht
herumgeredet; das Bedauern der von Aufsehern gebrandmarkten
mangelhaften Kooperation bei der Aufarbeitung des Skandals um
manipulierte Interbankzinssätze klingt aufrichtig. Dass der Vorstand
den Tadel der Behörden akzeptiert und sich veranlasst sieht, interne
Veränderungen in die Wege zu leiten, ist für eine Adresse mit dem
Selbstverständnis dieser Bank, die sich den Kulturwandel auf die
Fahnen geschrieben hat, beschämend genug. Personelle Konsequenzen? Da
geht noch was
Manches an der "Strategie 2020" wirkt dick aufgetragen. Seit der
Jahrtausendwende wurden 500 blaue Filialen geschlossen, ohne viele
Worte darüber zu verlieren. Da erscheint die Aufgabe 200 weiterer
Standorte ziemlich inszeniert. Oder die Optimierung der geografischen
Aufstellung, zu der der Vorstand Details bisher ebenso schuldig
bleibt wie jede Aussage dazu, was aus der Beteiligung an der
chinesischen Hua Xia Bank werden soll, oder eine Angabe dazu, wie
viele Stellen das neue Sparprogramm kosten wird. 10000? 20000?
Irgendwo zwischen beiden Zahlen kommt man raus, wenn man die
kommunizierten 15% der Kostenbasis auf die Belegschaftsstärke
bezieht.
Ist eine gelegentliche Überprüfung der regionalen Präsenz nicht
Tagesgeschäft eines Vorstands und weniger Element einer immerhin auf
fünf Jahre angelegten Strategie? Und muss es nicht überraschen, dass
die Bank erst jetzt systematisch Kundenbeziehungen kappen will, die
nur für die Kunden vorteilhaft sind, nicht für die Bank? Anderes
kommt einem einerseits merkwürdig vertraut und andererseits
verdächtig bescheiden vor: Etwa die bis zu 1 Mrd. Euro, die die Bank
binnen fünf Jahren zusätzlich in die "digitale Revolution"
investieren will. Erinnern Sie sich? "Global E" hieß die Initiative,
für die Fitschens und Jains Vorvorgänger Rolf Breuer vom Jahr 2000 an
1 Mrd. Euro jährlich in die Hand nehmen wollte, um das Potenzial der
"digitalen Ökonomie" zu heben. Heute treffen sich Fitschen, Breuer
und andere in München. Da können sie sich in einer Verhandlungspause
auch noch mal über die Strategie austauschen.
Originaltext: Börsen-Zeitung
Digitale Medienmappe: http://www.presseportal.ch/de/pm/100014783
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der kapitalfressenden Regulierung, der auf dem Einlagengeschäft
lastenden Abschaffung der Zinsen, von der Digitalisierung und nicht
zuletzt von der viele Milliarden Euro verschlingenden Aufarbeitung
diverser Finanzskandale macht sich die Deutsche Bank auf zu einem
Rendezvous mit der Realität. Mit seiner "Strategie 2020", die
einschneidend, aber nicht radikal daherkommt, liegt der
Branchenprimus teilweise sogar - das verdient Anerkennung - "vor der
Kurve".
Eine Verbesserung der Verschuldungsquote auf mindestens 5% kann
angesichts der heutigen 3,4% als sportliche Vorgabe gelten, die nicht
nur immer gerade das Minimum dessen nachvollzieht, was die Aufsicht
verlangt. Auch die Reduzierung des bisher weit verfehlten
Renditeziels von mehr als 12% nach Steuern auf über 10% auf das -
Achtung, neue Definition! - "materielle" Eigenkapital bedeutet eine
Annäherung an die neue Regulierungswelt, in der das Geldverdienen für
Banken nicht leichter wird. Und der Abbau von bis zu 200 der gut 700
blauen Filialen ist ein ebensolcher Schritt mit Blick auf
Digitalisierung und das dramatisch veränderte Kundenverhalten.
Ein Ziel der Regulierung ist ja, endlich das bis dato ungelöste
Too-big-to-fail-Problem besser in den Griff zu bekommen. Dem kommt
der Geldkonzern entgegen mit dem deutlichen Zurückschneiden seines
Investment Banking und dem hauseigenen "Trennbankenmodell" - Abstoßen
der Postbank samt Kapitalerhöhung durch die Hintertür via erneute
Börsenplatzierung der Tochter. Die neue Deutsche Bank wird immerhin
etwas kleiner, weniger komplex und risikoexponiert und auch ein wenig
bescheidener sein als der Finanzkoloss, dessen Bilanz im ersten
Quartal, teils wechselkursbedingt, sogar einen Wachstumssprung um 14%
auf annähernd 2 Bill. Euro erfuhr. Nebenbei: Dieses Plus ist in
absoluten Zahlen nahezu das Doppelte dessen, was die Bank durch die
Neupositionierung ihres Investment Banking netto an Exposure abbauen
will.
Raus aus den Kartoffeln
Soweit das Institut mit der neuen Strategie weitere Veränderungen
des regulatorischen Umfelds antizipiert, trifft das Argument der
Co-Vorstandsvorsitzenden Jürgen Fitschen und Anshu Jain sicher zu,
dass sich die Welt während der Finanzkrise, an deren Vorabend die
Postbank erworben worden sei, nun mal komplett verändert habe.
Dennoch mutet man mit dem seit vielen Jahren praktizierten "Rein in
die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln" allen Stakeholdern
namentlich am Beispiel des Retail Banking eine Menge zu. War nicht
noch vor wenigen Monaten das Hohelied der weit vorangeschrittenen
Integration von Deutscher Bank und Postbank zum blau-gelben
"Powerhouse" für 28 Millionen Privatkunden geschmettert worden? Ab
sofort wird das mühsam und für viel Geld zusammengeführte Gebilde
sicher nicht weniger mühsam wieder entflochten. Etwas mehr
Kontinuität - Strategie hat ja etwas mit Langfristigkeit zu tun - und
weniger offenkundige Umsetzungsdefizite täten not. Gerade im erst
1959 gestarteten Mengengeschäft fällt die Bank durch eine ungute
Tradition der Strategiewechsel auf, seit damals bei der Einführung
des privaten Kleinkredits "der Mob" die Schalter stürmte und eine
Zweigstelle bei der Zentrale anfragte, ob sie schließen dürfe.
Beschämend genug
Dass es jenseits unbestreitbarer Fortschritte etwa in puncto
Kapitalausstattung an der Umsetzung hapert und wichtige Klassenziele
nicht erreicht wurden, räumt das Führungsduo gerade mit Blick auf die
Kosten unumwunden ein; um "hausgemachte Rückschläge" wird nicht
herumgeredet; das Bedauern der von Aufsehern gebrandmarkten
mangelhaften Kooperation bei der Aufarbeitung des Skandals um
manipulierte Interbankzinssätze klingt aufrichtig. Dass der Vorstand
den Tadel der Behörden akzeptiert und sich veranlasst sieht, interne
Veränderungen in die Wege zu leiten, ist für eine Adresse mit dem
Selbstverständnis dieser Bank, die sich den Kulturwandel auf die
Fahnen geschrieben hat, beschämend genug. Personelle Konsequenzen? Da
geht noch was
Manches an der "Strategie 2020" wirkt dick aufgetragen. Seit der
Jahrtausendwende wurden 500 blaue Filialen geschlossen, ohne viele
Worte darüber zu verlieren. Da erscheint die Aufgabe 200 weiterer
Standorte ziemlich inszeniert. Oder die Optimierung der geografischen
Aufstellung, zu der der Vorstand Details bisher ebenso schuldig
bleibt wie jede Aussage dazu, was aus der Beteiligung an der
chinesischen Hua Xia Bank werden soll, oder eine Angabe dazu, wie
viele Stellen das neue Sparprogramm kosten wird. 10000? 20000?
Irgendwo zwischen beiden Zahlen kommt man raus, wenn man die
kommunizierten 15% der Kostenbasis auf die Belegschaftsstärke
bezieht.
Ist eine gelegentliche Überprüfung der regionalen Präsenz nicht
Tagesgeschäft eines Vorstands und weniger Element einer immerhin auf
fünf Jahre angelegten Strategie? Und muss es nicht überraschen, dass
die Bank erst jetzt systematisch Kundenbeziehungen kappen will, die
nur für die Kunden vorteilhaft sind, nicht für die Bank? Anderes
kommt einem einerseits merkwürdig vertraut und andererseits
verdächtig bescheiden vor: Etwa die bis zu 1 Mrd. Euro, die die Bank
binnen fünf Jahren zusätzlich in die "digitale Revolution"
investieren will. Erinnern Sie sich? "Global E" hieß die Initiative,
für die Fitschens und Jains Vorvorgänger Rolf Breuer vom Jahr 2000 an
1 Mrd. Euro jährlich in die Hand nehmen wollte, um das Potenzial der
"digitalen Ökonomie" zu heben. Heute treffen sich Fitschen, Breuer
und andere in München. Da können sie sich in einer Verhandlungspause
auch noch mal über die Strategie austauschen.
Originaltext: Börsen-Zeitung
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