Bielefeld (ots) - Streikende Erzieherinnen und Erzieher sind in diesen Tagen die Speerspitze eines sich immer deutlicher herausbildenden, neuen Trends in der Tarifpolitik der Gewerkschaften. Frank Bsirske, der Vorsitzende der Gewerkschaft Verdi, bringt es so auf den Punkt: "Die Arbeit mit und für Menschen hat deutlich mehr Anerkennung verdient." Damit zielt er nicht auf lobende Worte; er meint das Gehalt. Wertschätzung beruflicher Leistungen drückt sich vor allem über die Höhe der Entlohnung aus. Daran knüpft sich die Frage, was wir alle für diese Dienste bereit sind zu zahlen. Mit seinem Satz rechtfertigt Bsirske aktuell die gegenwärtigen Streiks des Kita-Personals. Aber er meint damit längerfristig nicht nur diese Beschäftigten: Am Internationalen Tag der Pflegenden in dieser Woche haben Verdi, die Sozialverbände und zahlreiche Politiker eine bessere Anerkennung auch der Arbeit der Pflegekräfte in Krankenhäusern und Altenheimen angemahnt. Es ist mit Streiks in Kliniken und Seniorenheimen zu rechnen, weil die Arbeitgeber nicht ohne weiteres dem Ziel der Gewerkschaften zustimmen werden, Pflegekräften neben dem allgemeinen Einkommenszuwachs im öffentlichen Dienst ein zusätzliches Mehr einzuräumen, wie es jetzt für Erzieherinnen durchgesetzt werden soll. Verdi, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und die Fachorganisationen im Deutschen Beamtenbund reagieren mit ihrem Engagement für Beschäftigte in sozialen Berufen auf wirtschaftliche und gesellschaftliche Umbrüche. Betreuung und Pflege von Angehörigen ist aufgrund sozialer Veränderungen nicht mehr wie noch vor Jahrzehnten über familiäre Strukturen zu gewährleisten; diese Arbeit hat sich zu einer außerhäuslichen Dienstleistung entwickelt, für die es, nicht zuletzt wegen gestiegener Anforderungen, zunehmend mehr professioneller Fachkräfte bedarf. Die sind jedoch in der notwendigen Anzahl ohne angemessene Bezahlung nicht zu bekommen. Und von der sind Pflegekräfte und andere Beschäftigte im sozialen Bereich noch ein gutes Stück entfernt. In Industrie und Handwerk sind jedenfalls vielfach höhere Einkommen zu erzielen. Diese Wirtschaftsbereiche sind das Rückgrat unserer ökonomischen Leistungsfähigkeit, auch wenn Dienstleistungen inzwischen erheblich zu wirtschaftlicher Wertschöpfung beitragen. In der Lohnpolitik hat dieser Wandel (weg von der reinen Industriegesellschaft) bislang jedoch noch nicht seinen angemessenen Niederschlag gefunden. Die Tarifforderungen der Gewerkschaften orientieren sich meist an den Möglichkeiten der Industrie. Hier sind Veränderungen durchaus angebracht, wenn sie die ökonomische Basis im Auge behalten. Der Slogan "Arbeit mit Menschen darf nicht schlechter bezahlt werden als Arbeit mit Maschinen" ist populär und klingt gut. Er hat durchaus einen berechtigten Kern, aber Lohnpolitik hat auch wirtschaftliche Zusammenhänge zu beachten. Über eine bessere Bezahlung Beschäftigter in sozialen Berufen herrscht weitgehend Konsens. Details sind umstritten wie jetzt beim Kita-Personal. Zu wenig bedacht wird aber die Finanzierung. Wer will schon höhere Kindergartenbeiträge oder höhere Steuern? In der Pflege sind bessere Gehälter nur zu finanzieren, wenn die Kassenbeiträge steigen. Der neue Trend in der Lohnpolitik hin zu einer eigenständigeren Tarifpolitik für soziale Dienstleistungen ist richtig. Deshalb müssen wir als Gesellschaft intensiver und ehrlich darüber sprechen, was uns die Arbeit mit und für Menschen letztlich wert ist, beziehungsweise, wo wir dort zu Abstrichen bereit sind.
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