Im Schuldenstreit um Griechenlands Staatsfinanzen geht es nicht vorwärts. Obwohl Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande in Riga mehr als zwei Stunden mit dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras über Lösungsmöglichkeiten für Athens Schuldenkrise diskutiert haben, wurde kein Durchbruch erzielt. Und so könnte eine nahende Pleite Athens die Märkte weiter belasten.
Meldungen über Griechenland werden immer kurioser
Wenn man sich die aktuellen Medienberichte bezüglich der griechischen Schuldenpolitik anschaut, dann kann man teilweise nur mit dem Kopf schütteln. Wir selbst können uns keine klare Meinung über die reelle Arbeit und die Absichten der griechischen Regierung machen, da wir uns auch nur auf die Berichte der Medien stützen können. Doch was wir von dort an Informationen erhalten, wird immer kurioser.
Nun soll der ESM griechische Staatsanleihen bedienen
Dass weiterhin die bekannten Differenzen zwischen den Geldgebern und Griechenland bestehen, hatten wir eingangs bereits beschrieben. Derweil konnte man erfahren, dass Finanzminister Yanis Varoufakis eine neue interessante Idee hat, um die Schulden seines Arbeitgebers zu begleichen. Der Rettungsschirm ESM solle nun vorerst für die griechischen Staatsanleihen im Besitz der Europäischen Zentralbank (EZB) aufkommen, die von Juli und August an fällig werden. Sein Land würde dann das Geld nach einem Abkommen mit den internationalen Gläubigern über einen längerfristigen Zeitraum wieder an den ESM zurückzahlen.
Mehr Geld und mehr Zeit – längst gewährte Forderungen
Interessanter Vorschlag. Für mich klingt dies danach, dass Griechenland erstens mehr Geld und zweitens für dessen Rückzahlung mehr Zeit erhalten möchte. Beides hat das Land in der Vergangenheit von seinen Gläubigern schon erhalten – seit dem Antritt der neuen Regierung allerdings ohne Gegenleistung. Zudem will die neue Regierung offenbar bereits VOR einem neuen Abkommen neues Geld erhalten.
Kurz zur Erinnerung: Von den 320 Mrd. Euro Schulden, die Griechenland insgesamt vor sich herschiebt, haben die europäischen Partner im Rahmen der Schuldenkrise rund 240 Mrd. an Hilfskrediten geleistet. Dabei wurden nicht nur die Hilfsleistungen stets erhöht, sondern auch die Konditionen großzügig angepasst. Im Gegenzug hat man Forderungen an die Athener Regierung gestellt, die von der neuen Führung allerdings nicht mehr erfüllt werden.
Ich denke daher, es ist langsam an der Zeit, dass die neue griechische Regierung endlich ihre Arbeit aufnimmt und einen tragfähigen Haushalt anpeilt, bevor sie weitere Forderungen an ihre Geldgeber stellt.
Es sollte außer Frage stehen, dass nun endlich (die längst vereinbarten) Reformen umgesetzt werden, die kurzfristig zu einem tragbaren Haushalt führen, aus dem auch die Schulden zurückgezahlt werden können, und erst dann weitere Kredite fließen.
Griechenland ist sich keiner Verantwortung bewusst
Doch offenbar ist sich Griechenland keiner Verantwortung bewusst. So war ebenfalls in dieser Woche zu lesen, dass aus Sicht des Regierungschefs Tsipras der Mangel an Liquidität weder die Wahl noch die Verantwortung der griechischen Regierung sei. Da fragt man sich, wer denn für die Zahlungsfähigkeit des Landes verantwortlich ist, wenn nicht die Athener Regierung selbst?! Jedenfalls drohte Nikos Filis, Sprecher der Regierungsfraktion im griechischen Parlament, damit, die nächste Kreditrückzahlung an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zu verweigern. „Wenn es bis zum 5. Juni keine Vereinbarung gibt, werden sie [Anmerkung der Redaktion: die Geldgeber] kein Geld bekommen“, sagte er laut Handelsblatt am Mittwoch dem Fernsehsender ANT1.
Heimliche Tonaufnahmen
Aber es geht noch skurriler: Der umstrittene Finanzminister Varoufakis soll heimlich Tonaufnahmen von Treffen der Eurogruppe gemacht haben. Die New York Times schreibt in einem ausführlichen Porträt über Varoufakis, das seit Mittwoch auf der Webseite der Zeitung nachzulesen ist: „Er sagte, er habe das Treffen mitgeschnitten, könne die Aufnahme aber wegen der Regeln zur Vertraulichkeit nicht veröffentlichen.“ Varoufakis selbst wollte seine Äußerungen weder dementieren noch bestätigen. Stattdessen sagte er, er sei glücklich darüber, dass manche Angst hätten, dass das, was sie bei dem Treffen der Eurogruppe gesagt haben, ans Tageslicht komme.
Geldquellen bleiben ungenutzt
Der eine oder andere wird sich vielleicht noch erinnern: Kurz nach seinem Wahlsieg versprach Athens Premier Alexis Tsipras: „Wir sind die Ersten, die Steuerflucht und Steuerhinterziehung in großem Stil stoppen wollen.“ Auch dazu gab es in dieser Woche neue erschütternde Meldungen, bei denen man nur mit dem Kopf schütteln kann: Seit 2010 besitzt Athen eine Liste aus der Schweiz, auf der Daten vieler griechischer Steuersünder stehen. Doch wie nun bekannt wurde, sind von 2092 Namen erst 49 geprüft worden. Dies gab Griechenlands Finanzminister Varoufakis in einem vertraulichen Schreiben an den SPD-Finanzpolitiker Joachim Poß zu. Das Handelsblatt schreibt dazu: „Kommentierung ist in diesem Fall unnötig. Nichtstun in dieser Lage kommentiert sich selbst.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.
Wie bereits oben geschrieben, haben wir leider nicht die Gelegenheit, bei den jeweiligen Regierungsvertretern in Athen persönlich nach deren Beweggründen nachzufragen. Vielleicht gibt es für ihr augenscheinlich desaströses Verhalten ja eine logische Erklärung. Insofern halten wir uns mit Kritik bestmöglich zurück. Doch bei dem Bild, welches man unweigerlich durch die mediale Berichterstattung erhält, kann einem auch mit Blick auf die Finanzmärkte nur schwarz vor Augen werden.
(Quelle: Geldanlage-Brief, Ausgabe vom 24.05.2015)
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