Die womöglich entscheidenden Verhandlungen zwischen Griechenland und seinen Geldgebern über ein Reformprogramm werden offenbar von fundamentalen Spannungen zwischen der EU-Kommission und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) überschattet. Wie die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" (F.A.S.) aus dem Kreis der Unterhändler erfuhr, torpediert der Internationale Währungsfonds einen Kompromiss, der in den letzten Tagen vorbereitet worden war.
Demnach könnte Athen Kürzungen bei kleinen Renten aufschieben, wenn es im Gegenzug seine Militärausgaben um den gleichen Betrag vermindert. Es gehe um 400 Millionen Euro. Diesen Vorschlag habe Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker dem griechischen Regierungschef Alexis Tsipras unterbreitet, offenbar unter Billigung von Kanzlerin Angela Merkel und dem französischen Präsidenten François Hollande. Der IWF akzeptiere keine Tauschegschäfte dieser Art, sagte ein Unterhändler der F.A.S. "Wir sollen verhandeln, aber wir haben kein Mandat dafür", sagte er weiter.
Auf Seiten der Kommission herrschte deshalb am Samstag große Skepsis, ob eine Einigung noch möglich sei. Tsipras hatte eine Kürzung der staatlichen Zuschläge auf niedrige Renten in allen Gesprächen dieser Woche kategorisch ausgeschlossen. Die Verhandlungsrunde soll an diesem Samstag um 17:00 Uhr in Brüssel starten; aus Athen wird Nikos Pappas erwartet, die rechte Hand von Tsipras. Der IWF hatte seine Unterhändler in dieser Woche nach Washington zurückbeordert und erklärt es gebe "große Differenzen in den meisten Schlüsselbereichen".
Wie die F.A.S. berichtet, hing dieser Eklat mit den Spannungen zwischen der Kommission und dem Währungsfonds zusammen. Sie gingen zurück auf ein Treffen im Kanzleramt vor zwei Wochen. Dabei hatten sich die drei Institutionen (Kommission, EZB und IWF) auf ein Eckpunktepapier mit Forderungen an Griechenland geeinigt. Sie verminderten darin die Primärüberschüsse im Haushalt, die Athen in diesem und in den folgenden Jahren erreichen muss, auf 1, 2, 3 und 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung. Allerdings soll es eine Nebenabsprache gegeben haben, wie die F.A.S. von Teilnehmern des Treffens erfuhr: Sollten am Ende nur 0,8 Prozent für das laufende Jahr durchsetzbar sein, würden sich alle Beteiligten damit zufrieden geben. IWF-Chefin Christine Lagarde habe, wenn auch widerstrebend, in diese Absprache eingewilligt, habe sie aber in einem Telefonat mit Bundeskanzlerin Merkel am folgenden Tag wieder zurückgenommen. Damit habe Juncker jeglichen Spielraum für die Gespräche mit Tsipras in dieser Woche verloren. Ein europäischer Unterhändler sagte der F.A.S. am Samstag: "Es ist völlig paradox. Am Ende entscheidet eine Institution über das Schicksal Europas, hinter der kein Volk steht."