Mainz (ots) - Ein Abkommen wie der Schengen-Vertrag zum Verzicht auf innereuropäische Grenzkontrollen wäre heute nicht mehr durchsetzbar. Was waren das für politisch glückliche Zeiten, als solche Visionen noch Realität werden konnten. Und sie sind gerade mal 30 Jahre her. Eigentlich müssten sich noch genügend von uns an Schlagbäume und kritisch inspizierte Kofferräume erinnern. Und trotzdem macht unter anderem der bayerische Möchtegern-Ministerpräsident Markus Söder jetzt Front gegen Schengen. Was er nicht tun würde, wenn er nicht hoffen könnte, damit im Rennen um die Seehofer-Nachfolge zu punkten. Die Rechnung, die er aufmacht, ist so platt, dass er damit eigentlich noch nicht einmal kurz vor Mitternacht in einem Bierzelt durchkommen dürfte: Die seiner Ansicht nach bei der Flüchtlingsaufnahme einzusparenden Milliarden würden durch neue Grenz-Strukturen locker aufgefressen. Aber eigentlich darf man sich auf solche Debatten überhaupt nicht einlassen. Es geht um mehr. Europa braucht endlich eine koordinierte, gerecht verteilende Flüchtlingspolitik. Schengen wäre keine mit billiger Polemik angreifbare große Errungenschaft, wenn sich alle Beteiligten an die Regeln hielten. Solange aber einige EU-Staaten Flüchtlingen einfach Geld zur Weiterfahrt in die vier Länder, die 50 Prozent aller Flüchtlinge aufnehmen, in die Hand drücken, haben die Söders leichtes rhetorisches Spiel. Und mehr als die Hälfte aller EU-Mitglieder hält sich bei der Aufnahme von Flüchtlingen gleich ganz zurück. Man sieht also, woran zu arbeiten ist: am Umsetzen der Tatsache, dass 500 Millionen statistisch gesehen relativ wohlhabende Europäer 500.000 Flüchtlinge absolut verkraften können. Und nicht am Schleifen der wenigen Freiheitsideen, die Realität geworden sind.
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