Regensburg (ots) - Ist Florian Pronold der charismatische Parteichef, den die bayerische SPD nötig hätte? Nein. Hat er die Kraft, die Genossen im Freistaat aus dem 20-Prozent-Keller zu führen? Wohl kaum. Doch für die SPD ist er der Beste, den sie zu bieten hat - schlicht und einfach deshalb, weil sich kein anderer ernsthafter Kandidat zur Verfügung stellt. Pronold wurde auch deshalb wiedergewählt, weil niemand sonst den Karen ziehen will. Der urige Walter Adam war - bei aller Wertschätzung für Mut und Originalität - keine echte Alternative und wollte das auch selbst so verstanden wissen. Seine Kandidatur war als Weckruf gedacht. Er wollte bloßlegen, was bei der SPD im Argen liegt. Hinter der Kritik an der Parteispitze, die sich in einem miserablen Wahlergebnis für Pronold entladen hat, verbergen sich aber weit tiefere Probleme. Es geht um einen erbitterten Richtungsstreit. Pronold steht für die Pragmatischen in der SPD, die die Nase von der zermürbenden Oppositionsarbeit in Bayern so gestrichen voll haben, dass sie 2018 als Koalitionspartner für die CSU zur Verfügung stünden. Sie wollen endlich mitgestalten können. Eine vernünftige Position, wenn auch zur Unzeit formuliert. Wer weiß, ob die CSU die SPD nach der Landtagswahl überhaupt nötig hat? Die Gegenströmung in der SPD pocht idealistisch auf die reine Lehre - auch wegen der kräftigen Bauchschmerzen, die ihnen die Berliner Koalition bereitet, die Zugeständnisse bei der Vorratsdatenspeicherung oder beim umstrittenen Freihandelsabkommen TTIP abnötigt. Die Hoffnung: Eine SPD, die kompromisslos an ihren Werten festhält, ist für die Wähler am Ende so unwiderstehlich schön, dass sie die CSU zum Teufel jagt und endlich die SPD zur stärksten Kraft macht. Verdrängt wird dabei allerdings, dass dieses Modell schon in den vergangenen Jahrzehnten in keinster Weise funktioniert hat. Adams 31,7 Prozent offenbaren das Frustpotenzial in der bayerischen Partei. Das SPD-Urgestein aus Abensberg musste dafür keine ausgefeilten Konzepte vorlegen, sondern nur sein sozialdemokratisches Herz in die Waagschale werfen und Ressentiments gegen Koalitionen mit der Union in Berlin und der CSU in Bayern eine Stimme geben. Es ist paradox: Die CSU, die sich dieser Tage von Stromtrassen bis Länderfinanzausgleich verdammt schwer tut, in Berlin eigene Forderungen durchzusetzen, hält die Reihen geschlossen. Die SPD, die von Mindestlohn bis Mietpreisbremse einiges durchgesetzt hat, zweifelt am Nutzen von Regierungsämtern, weil man dort auch immer wieder zu unliebsamen Kompromissen gezwungen ist. Teil des genetischen Codes der Sozialdemokraten ist offensichtlich der Hang zur Unzufriedenheit. Statt sich über ein halbvolles Glas zu freuen, streitet man über ein halbleeres. Das kann selbstzerstörend sein - im besten Fall kann es die SPD aber auch voran bringen: wenn der Denkzettel für Pronold von der Parteispitze tatsächlich als Weckruf begriffen wird. Die Lehren aus Hirschaid: Ein Parteichef mit derart schlechtem Ergebnis taugt 2018 in Bayern nicht als Spitzenkandidat. Es muss eine Alternative gefunden werden. Wenn sich alle weiter wegducken, ist die Niederlage vorprogrammiert. Es muss sich zudem am Ton und Stil in der SPD etwas verändern. Wer Koalitionen mit der CSU in die Diskussion bringt, muss es der Basis besser erklären und intensiv dafür werben. Die SPD entschuldigt ihre Malaise gerne damit, dass das Machtgen in den eigenen Reihen nicht so unschön ausgeprägt ist wie bei der CSU. Sauber. Dann wäre es also ein Zeichen von starkem Charakter, 2018 - sofern sich die Chance überhaupt bietet - nicht erst einmal nach einem Zipfel der Macht zu greifen, um die eigenen Konzepte umzusetzen. Tatsächlich aber ist es notorische Zaghaftigkeit und das fehlende Vertrauen in sich selbst. Als Koalitionspartner der CSU muss man nicht automatisch untergehen. Die SPD könnte auch den Beweis liefern, dass sie es wirklich besser kann.
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