Düsseldorf (ots) - Griechenland hat sich gestern gegen Europa entschieden. Die Mehrheit der Wähler hat ihrem Regierungschef, der die Gläubiger als kriminelle Vereinigung diffamiert und europäische Politik als Durchsetzung nationaler Interessen missverstanden hat, den Rücken gestärkt. Damit haben Angela Merkel und die Pro-Griechenland-Fraktion in Europa, die sich immer wieder für neue Verhandlungen und gegen den Grexit ausgesprochen haben, verloren. Das Votum ist eine Wendemarke in der Geschichte der europäischen Integration. Nach den gescheiterten Referenden in den Niederlanden und Frankreich zur EU-Verfassung vor zehn Jahren stellt sich erstmals ein Mitgliedsland mit einer Volksbefragung gegen die große Mehrheit in Europa. Und gegen den grundsätzlichen Konsens, dass finanzielle Solidarität in der Euro-Zone immer auch mit Reformen im eigenen Land einhergeht. Das "Ochi" der Griechen ist deshalb mehr als eine Abstimmung gegen Renten-Reformen oder Privatisierungspläne. Es ist ein Votum gegen ein Europa, das sich als politischer Ort gemeinsamer Werte und Regeln zum größtmöglichen Nutzen aller versteht. Als Ort der Verhandlungen und des Kompromisses. Alexis Tsipras hat das Referendum ja gegen den Willen der Partner aus dem Hut gezaubert. Er hat gezockt, gepokert - und gewonnen. Aber müssen deswegen Europas Staatschefs ein neues Spiel mit ihm eingehen? Niemand könne ein Nein des griechischen Volkes ignorieren, sagte Alexis Tsipras gestern. Bei allem Respekt: Niemand kann 18 Euro-Staaten zu einer Politik zwingen, die gegen jede bisherige europäische Gepflogenheit verstößt und im Zweifel gegen die Interessen ihrer eigenen Bevölkerungen gerichtet ist. Es waren die gewählten Vertreter Irlands, Portugals und Spaniens, die in den Verhandlungen mit Athen besonders hartnäckig waren und auf Reformen pochten. Diese Länder ziehen erfolgreich harte Sanierungsprogramme durch und müssten bei Referendums-Rabatten für Athen einen Aufstand der eigenen Wähler befürchten. Europas Glaubwürdigkeit in der Welt wäre überdies massiv beschädigt, wenn sich die Euro-Staaten von dem Weg in eine international wettbewerbsfähige Fiskal- und Wirtschaftsunion abbringen ließen. Sicher hat die Troika in Griechenland Fehler gemacht, die sozialen Kürzungen überbetont und Konjunkturimpulse unterschätzt. Aber das letzte Angebot der Gläubiger an Athen korrigierte diese Schieflage. Europa bot Griechenland unter anderem ein milliardenschweres Wachstumspaket, einen De-facto-Schuldenschnitt durch die Verlängerung der Rückzahlungsfristen und neue Budgethilfen. All das zusätzlich zu den bisher rund 220 Milliarden Euro an geleisteten Finanzhilfen. Dieses Angebot haben die Griechen nun abgelehnt. Was soll Europa denn noch tun? Einfach alle Schulden erlassen? Ob es Griechenlands Regierungschef will oder nicht: Das Nein seiner Bevölkerung zu den Reformplänen der Gläubiger ist somit auch ein Ja zum Grexit. Griechenland ist pleite. Die Auszahlung von Renten und Löhnen hängt vom guten Willen des IWF, der EZB und der EU etwa bei der Verlängerung der Notkredite ab. Von jenen Institutionen also, die von Mitgliedern der griechischen Regierung als kriminell und terroristisch beschimpft wurden. Die Gläubiger werden den (vorübergehenden) Austritt Griechenlands aus dem Euro und die Einführung einer neuen Parallelwährung nun forcieren. Wer will es ihnen verdenken? Die neuen Verhandlungen der Euro-Gruppe mit Tsipras, die es trotz allem geben sollte, werden den Geist der Trennung atmen. Und sollten die Euro-Staatschefs in den Gesprächen mit Tsipras ein Druckmittel benötigen, könnten sie ja ein zweites Referendum in Aussicht stellen. Dieses Mal allerdings in den Ländern der Gläubiger.
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