Bielefeld (ots) - Die Griechen haben »Nein« gesagt. Deutlich und unüberhörbar. Und nun? Vorerst geht das Ringen weiter - auch wenn die Verhandlungen immer schwieriger werden und man nie weiter von einer Lösung entfernt war. Doch so sehr man sich über die Hasardeure in der hellenischen Regierung ärgern muss, so wenig kann Griechenland seine Probleme per Volksabstimmung lösen. Im Gegenteil: Die Nöte Athens sind nur noch größer geworden. Die Europas allerdings auch. Der in Deutschland verbreitete Wunsch, sich nun nicht mehr um die Griechen kümmern zu müssen, ist verständlich, erst recht nach diesem klaren Votum. Zugleich jedoch ist die Vorstellung so naiv wie absurd. Auch wohnt ihr Zynismus inne, denn wenn das Land verarmt und jede Hoffnung verliert, sind es zuerst Millionen Menschen, die leiden und nicht etwa die Regierenden in Athen - hätten sie es auch am ehesten verdient. Und die Wahrheit ist leider noch viel bitterer. Griechenland lehrt uns, dass etwas faul ist in der Europäischen Union ganz allgemein und in der Euro-Zone besonders. So leidenschaftlich um Sparlisten, Hilfspakete und die dritte Nachkommastelle ökonomischer Kenndaten gestritten wird, so sprachlos ist Europa, wenn es um eine Idee von sich selbst und seiner Zukunft geht. Lange, viel zu lange hat man geglaubt, das europäische Projekt auch ohne Diskurs über das Ziel und die Wege dahin vorantreiben zu können. »Vorwärts immer, rückwärts nimmer« - so sieht es nicht nur, aber allen voran EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Darum wird man bei dem schon immer etwas zu jovialen Luxemburger auch jetzt wieder das Gefühl nicht los, dass er notfalls jeden faulen Kompromiss eingeht, um bloß weiterzumachen wie bisher. Doch dieses »Europa um seiner selbst willen« hat endgültig seine Legitimation verloren. Das ist das wahre Ergebnis der gestrigen Abstimmung. Sie wird - nein, sie muss die Stimme all jener weiter stärken, die Europa und den Euro wollen, aber eben nicht um den Preis ständig und beinahe ungestraft gebrochener Regeln. Ihr wichtigster Kopf ist zweifellos der deutsche Finanzminister. Einmal mehr kommt es auf Wolfgang Schäuble an. Wo wollen wir hin? Was sind wir bereit, dafür zu tun? Wer geht mit? Das sind die Kernfragen, die wir Europäer offen und viel kritischer als bisher diskutieren müssen. Untereinander und jedes Land mit seinen Bürgern daheim. Und nur ehrliche Antworten können den Weg weisen - für den Umgang mit den Griechen, mit den Briten und für unser Europa insgesamt. Kanzlerin Angela Merkel hat diese Debatte in Deutschland so gut es ging vermieden - und das trotz fünf Jahren Krise. Ein Grund dafür ist sicher, dass eine besser funktionierende EU nur um die für jedermann spürbare Preisgabe nationalstaatlicher Souveränität zu haben sein wird. Europa kann beherzt voranschreiten oder bewusst zurücktreten - nur weiter verharren kann es nicht.
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