Die Europäische Zentralbank (EZB) könnte dem finanziell angeschlagenen Griechenland in einem Vorgriff auf ein späteres Hilfspaket unter bestimmten Umständen vorab Liquidität über ein "Brückenprogramm" zur Verfügung stellen. Das sei ein Punkt, der zu diskutieren sei, sagte der Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), EZB-Rat Ewald Nowotny, am Montagabend.
Auf jeden Fall seien sehr rasche Entscheidungen nötig, "man kann eine Wirtschaft ja nicht quasi einfrieren", meinte Nowotny in der Fernsehsendung "ZiB2" des ORF. Wenn Athen tatsächlich am 20. Juli Staatsanleihen im Umfang von 3,5 Milliarden Euro, die von der EZB gehalten werden, nicht tilgen könne, dann wäre dies "tatsächlich der Fall eines Staatsbankrotts, eines Defaults, da würde es für die EZB nicht mehr möglich sein, weitere Liquidität bereitzustellen", betonte Nowotny. Dann müsste die EZB aus seiner Sicht die knapp 90 Milliarden Euro ELA-Notfallkredite formal fällig stellen, wenn auch mit Fristen für eine Rückzahlung.
Über die längerfristigen Perspektiven für Griechenland würden die politischen Verhandlungen am Dienstag und eventuell auch am Mittwoch entscheiden: "Ich muss zumindest eine Perspektive haben. Das muss sich in den morgigen Verhandlungen abzeichnen, das ist ein ganz ganz wichtiger Tag."
In diesem Kontext seien dann auch mögliche weitere Liquiditätsbereitstellungen zu sehen. Allerdings, so Nowotny: "So wie die Informationen aber sind, die ich bekomme, ist die Wahrscheinlichkeit, dass es da zu konstruktiven Schritten kommt, nicht sehr groß." Diese Woche würden die griechischen Banken wohl mit dem prolongierten - aber nicht aufgestockten - ELA-Rahmen "durchkommen", danach könnten aber vielleicht neue Maßnahmen nötig werden.
Eigene Euro drucken könne Griechenland eigenmächtig jedenfalls nicht: "Die Ausgabe von Noten ohne Bewilligung durch die EZB ist das Verbrechen der Falschgelderzeugung. Das wäre schon ein strafrechtliches Delikt", so Notenbankgouverneur Nowotny auf eine diesbezügliche Frage./sp/an/APA/he
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