Der Knoten ist geplatzt. Zuerst erteilte das griechische Parlament am frühen Samstagmorgen vor einer Woche der Regierung die Vollmacht, über weitere Spar- und Reformmaßnahmen mit den Gläubigern zu verhandeln. Es folgte am frühen Montagmorgen nach einem 17-stündigen Verhandlungsmarathon eine Einigung zwischen der Athener Regierung und ihren Geldgebern. In der Nacht zum Donnerstag billigte das Parlament in Athen das Spar- und Reformprogramm mit großer Mehrheit. Und am gleichen Tag beschloss die Europäische Zentralbank, die sogenannten Ela-Hilfen um 900 Millionen Euro zu erhöhen. Blicken wir auf die Details:
Griechenland-Rettung nimmt Fahrt auf
In dieser Woche ist mächtig Bewegung in die Rettung Griechenlands gekommen, als das griechische Parlament am frühen Samstagmorgen der Regierung die Vollmacht erteilte, über weitere Spar- und Reformmaßnahmen mit den Gläubigern zu verhandeln und eine Einigung zu unterzeichnen. Wie das Parlamentspräsidium dazu mitteilte, stimmten 251 Abgeordnete mit "Ja", 32 Parlamentarier dagegen und 8 enthielten sich der Stimme.
Tsipras erreicht Mehrheit nur mit Hilfe der Opposition
Die hohe Zahl der Für-Stimmen kam dabei nur deshalb zustande, weil drei Oppositionsparteien mit der Regierung gestimmt hatten. Ohne diese Stimmen hätte Tsipras ohne Mehrheit da gestanden. Denn 32 Abgeordnete in seinem „Bündnis der radikalen Linken“ (Syriza) hatten ihm entweder die Gefolgschaft verweigert oder angekündigt, dies demnächst zu tun. So waren 7 Abgeordnete der Linkspartei Syriza abwesend, 2 stimmten gegen den Antrag und 8 enthielten sich der Stimme. Weitere 15 Abgeordnete sagten der Presse, sie hätten nur „schweren Herzens 'Ja' gestimmt“, weil sie den Ministerpräsidenten angesichts der weiteren Verhandlungen in Brüssel nicht schwächen wollten.
Krisengipfel in Brüssel beschloss Spar- und Reformpaket einstimmig
Mit der Zusage seines Parlaments stieg Tsipras am Sonntag in einen Verhandlungsmarathon mit den Geldgebern ein, der stolze 17 Stunden andauerte. Erst kurz vor Handelsbeginn am Montag liefen die ersten Meldungen über die Ticker, dass eine Einigung erzielt wurde. Der Krisengipfel in Brüssel hatte sich einstimmig auf ein umfangreiches Spar- und Reformpaket für das Krisenland verständigt. Die Summen, die dabei im Raum standen, überschritten alles, worüber bislang geredet worden sei. In der Beschlussvorlage war von einem möglichen Finanzbedarf Griechenlands von 82 bis 86 Milliarden Euro in den kommenden drei Jahren die Rede.
Höhe der Rettungssumme kann sich noch ändern
Als Athen zuvor den Antrag für Milliardenhilfen beim ESM-Rettungsschirm stellte, wurde noch ein Finanzbedarf in Höhe von 53,5 Milliarden Euro bis 2018 angemeldet. Am Donnerstag kam die nächste Schätzung aus Brüssel: Es müsse sogar mit 100 Milliarden Euro gerechnet werden, die das Land brauche, um bis 2018 seine finanziellen Verpflichtungen bedienen zu können. – Die Höhe des Hilfspaketes kann sich offenbar noch öfters ändern. Insbesondere die wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen der Bankenschließungen können derzeit noch nicht genau beziffert werden.
Tsipras: Von einem Verhandlungsmarathon zum nächsten
Damit Geld fließen kann, musste Tsipras einen Teil der Reformen bereits bis Mitte der Woche durch das Parlament in Athen bringen. Nach den Worten von Bundeskanzlerin Angela Merkel müsse die griechische Regierung sogar darauf hinarbeiten, dass alle Gesetze umgesetzt werden, auch die aus der Zeit vor der Wahl. – Und so begab sich Tsipras mit diesem Auftrag in die nächste schwere Verhandlung.
Athener Parlament beschließt Reformprogramm
Am frühen Donnerstagmorgen, und damit leicht verspätet (hatte jemand nach den Entwicklungen der Vergangenheit etwas anderes erwartet), billigte das Parlament in Athen das Spar- und Reformprogramm mit großer Mehrheit. 229 Abgeordnete in dem Parlament mit 300 Sitzen stimmten für die Maßnahmen, 64 Parlamentarier dagegen. Es gab 6 Stimmenthaltungen.
Erneut bekam Regierungschef Tsipras die ausgehandelten Reformen nur mit Hilfe der Opposition durch. Von den 149 Abgeordneten seiner Syriza-Partei verweigerten ihm dieses Mal sogar 38 die Gefolgschaft.
EZB steuert ihren Teil der Lösung bei
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen steuerte auch die Europäische Zentralbank (EZB) ihren Teil zur Lösung der Schuldenprobleme bei. Auf der turnusmäßigen Sitzung beschloss der EZB-Rat am Donnerstag zwar, den Zinssatz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte sowie die Zinssätze für die Spitzenrefinanzierungsfazilität und die Einlagefazilität unverändert bei 0,05 %, 0,30 % bzw. -0,20 % zu belassen, der Rahmen für Notkredite an Griechenlands Banken wurde jedoch ausgeweitet. Die sogenannten Ela-Hilfen wurden um 900 Millionen Euro für eine Woche erhöht. Die Bedingungen für eine Erhöhung seien durch die Entwicklung der vergangenen Tage in der Griechenlandkrise gegeben, so der Notenbankchef.
Mit der Entscheidung kauft die EZB der Politik Zeit. Ende Juni hatte die EZB das Ela-Volumen bei rund 90 Milliarden Euro eingefroren, nachdem es in den Verhandlungen mit den Geldgebern keine Aussicht auf Erfolg mehr gab. Seitdem sind die Banken des Landes geschlossen und Abhebungen am Geldautomaten eingeschränkt.
Nationale Parlamente müssen grünes Licht für Verhandlungen geben
Bevor weitere Verhandlungen über das milliardenschwere Programm aufgenommen werden können, waren noch mehrere Parlamentsbeschlüsse in Deutschland und anderen Euro-Ländern nötig. Am Freitag stimmten die Abgeordneten in Berlin bereits in einer Sondersitzung für eine Aufnahme weitergehender Verhandlungen.
Insgesamt hatten dem von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble eingebrachten Antrag, Griechenland „grundsätzlich Stabilitätshilfe in Form eines ESM-Darlehens zu gewähren“, 439 Abgeordnete zugestimmt. 119 Abgeordnete lehnten den Antrag ab, der die Bundesregierung zunächst nur ermächtigt, in Verhandlungen über ein drittes Kreditprogramm für Griechenland einzutreten. 40 Abgeordnete enthielten sich.
Aus den Reihen von CDU und CSU gab es 241 Ja-Stimmen, 60 Nein-Stimmen und 5 Enthaltungen (insgesamt 310 Abgeordnete). In der SPD gab es 4 Nein-Stimmen (193). Von den 64 Linken-Abgeordneten sagten 53 Nein, keiner Ja.
Brückenfinanzierung in Höhe von 7 Milliarden Euro
Athen braucht laut einem Papier der Finanzminister bis zum morgigen Montag bereits rund 7 Milliarden Euro. Denn Griechenland muss dann 3,5 Milliarden Euro an die EZB zurückzahlen. Zudem hat Griechenland inzwischen eine weitere Kreditrate an den Internationalen Währungsfonds (IWF) nicht beglichen. Am vergangenen Montag blieb das Krisenland 456 Millionen Euro schuldig. Damit erhöht sich der Zahlungsrückstand alleine beim IWF auf 2 Milliarden Euro. Eine daher dringend nötige Brückenfinanzierung wollten die Finanzminister bis Morgen regeln. Am Freitag teilte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker dazu bereits mit, die EU-Finanzminister hätten sich darauf verständigt, Griechenland bis Mitte August Hilfen in der benötigten Höhe zu gewähren.
Bis zum Beschluss des Rettungspakets können noch Wochen vergehen
Mit darüber hinausgehenden Erleichterungen bei der griechischen Schuldenlast wollen die Euro-Länder sich erst befassen, wenn Athen all das vorgenannte erledigt hat. Man erwartet daher, dass sich die Verhandlungen noch leicht vier Wochen lang hinziehen können.
Fazit
Einige Hürden zu einem dritten Hilfspaket wurden also in dieser Woche übersprungen. Und es sieht stark danach aus, als würde "das schwarze Schaf der Eurozone" nun endlich "spuren“. Alles deutet bislang darauf hin, dass die Schuldenprobleme für drei Jahre vom Tisch sind (bzw. verschoben, bis sie spätestens dann wieder akut werden dürften). Doch der Hürdenlauf ist noch nicht zu Ende. Daher bleibt erhöhte Vorsicht geboten.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg an der Börse
Sven Weisenhaus
(Quelle: Geldanlage-Brief, Ausgabe vom 19.07.2015)
Sie möchten zukünftig derartige Marktanalysen kostenlos in Ihr E-Mail-Postfach bekommen? Dann melden Sie sich zu unserem kostenlosen Börsennewsletter Geldanlage-Brief an auf www.geldanlage-brief.de