Regensburg (ots) - Nehmen wir an, wir hätten ein Einwanderungsgesetz. So, wie es unter Rot-Grün beinahe gekommen wäre, mit Quoten und Punktesystem nach kanadischem Vorbild, mit dem eine gesteuerte Zuwanderung nach Deutschland möglich wäre. Hätten die Städte und Landkreise dann heute keine überfüllten Flüchtlingsunterkünfte? Wer das glaubt, ist naiv. Wir sind mitten im Jahrzehnt der Flucht angekommen. Vielleicht in einer Epoche, die eines Tages als "neue Völkerwanderung" in die Geschichtsbücher eingehen wird. Doch ein Zuwanderungsgesetz hätte zumindest eines geleistet: Es hatte Druck abgebaut. Bei den Behörden, die mit der Zahl der Asylanträge überfordert sind. Bei den Gemeinden, die Angst haben, dass die Stimmung vor Ort angesichts von immer mehr Asylsuchenden kippt. Und es hätte damit die Zahl derer reduziert, die ihre Sätze mit der unsäglichen Floskel "ich habe ja nichts gegen Ausländer, aber ..." beginnen. Daher ist es gut und wichtig, dass Union und SPD nun einen neuen Anlauf für ein Zuwanderungsgesetz unternehmen. Dazu werden beide Seiten ein paar Kröten schlucken müssen. Am Ende aber verhelfen sie damit einigen Wahrheiten zu einer breiteren gesellschaftlichen Akzeptanz. Eine dieser Wahrheiten ist, dass Deutschland immer schon demografischen Wanderbewegungen ausgesetzt war. Wie sollte es bei einem Land mitten in Europa auch anders sein? Bislang hat Deutschland davon profitiert. Wer anderes behauptet, hängt einer nationalen Romantik nach, die einer Überprüfung unter historischen Gesichtspunkten nicht standhält. Nationalstaaten sind Gebilde des 18. und 19. Jahrhunderts. Wohin Nationalismus führt, haben zwei Weltkriege eindeutig bewiesen. Dass Deutschland immer schon auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen war, zeigt nicht zuletzt die Geschichte der Gastarbeiter. Eine weitere Wahrheit ist, dass Deutschland überaltert. Es fehlt Nachwuchs, in jeder Hinsicht. Kein Baby-Boom könnte das noch ändern. War ist auch, dass die Welt sich durch die Globalisierung verändert hat - und dass wir alle daran mitarbeiten, dass sie sich weiter verändert. Wir leben gut auf Kosten anderer. Unsere Wirtschaftspolitik trägt dazu bei, dass Arm und Reich in der Welt ungleich verteilt sind und bleiben. Die Folgen sehen wir in Form von Booten voller Menschen auf dem Mittelmeer. Zuwanderung ist eine Chance, keine Bedrohung. Wir leben nicht im Libanon, wo auf tausend Einwohner 257 Flüchtlinge kommen. Bei uns sind es zwei. Gefordert ist eine Politik, die Menschen, die in unserem Land gebraucht werden, verschiedene Wege nach Deutschland öffnet. Dazu gehört auch eine schnellere Bearbeitung von Asylanträgen, damit Asylsuchende schnell Klarheit über ihre Zukunft bekommen. Das geht auch ohne "guter Flüchtling, böser Flüchtling"-Polemik. Die spielt nur den Salon-Rechten in die Hände, die in dieser Einteilung einen Freibrief sehen für das Verbalisieren ihrer Fremdenfeindlichkeit unter dem Deckmantel des "das wird man ja noch mal sagen dürfen". Große Koalitionen sind immer Ausnahmen im politischen Betrieb. Im besten Fall können sie aber Gegensätze vereinen und eine Art Konsens herstellen. Ein Zuwanderungsgesetz wäre ein solcher Konsens. Weil er die Basis für ein geordnetes Miteinander in der Zukunft legen kann. Die Sorgen der Gegenwart, die auch, aber eben nicht nur eine Folge der Versäumnisse der Vergangenheit sind, werden uns freilich noch länger begleiten.
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