Regensburg (ots) - Manchmal liege ich nachts neben meiner kleinen Tochter, wenn sie nicht schlafen kann, wie man das halt so macht. Und wie man es halt dann so macht, denke ich dabei manchmal über ihre Zukunft nach. Was aus ihr wird, wie sie leben wird und in welchem - oder was für einem - Land. Wenn es Deutschland ist, dann ertappe ich mich oft dabei zu hoffen, dass es nicht dasselbe ist, das sich derzeit in Kommentaren in den sozialen Netzwerken offenbart, wenn es um die Themen Flucht und Asyl geht. Geht es nach dem, was dort zu lesen und zu sehen ist, dann ist das Land, in dem wir leben, dabei, sich zu verändern. Weg von einem toleranten, modernen zu einem hasserfüllten, fremdenfeindlichen, dummdeutsch-nationalen Land. Jetzt könnte man sagen, dass soziale Netzwerke das eine sind, die Realität das andere. Doch das ist im Allgemeinen reichlich naiv, im Speziellen umso mehr. Wenn Autoren mit Klarnamen und mit Porträtbild gegen Flüchtlinge und Andersdenkende hetzen und sie bedrohen, ist eine Grenze überschritten. Nur stellt sich ihnen kaum jemand in den Weg. Das liegt einerseits an der Gleichgültigkeit einer Mehrheit von Menschen, die denken, das alles ginge sie nichts an. Es liegt aber auch an der Gleichgültigkeit einer Politik, die den Widerstand gegen die braune Hetze nicht organisieren will oder, im schlimmsten Fall, befeuert in dem Irrglauben, mit harter Rechtsaußen-Politik den wahren Rechtsaußen das Wasser abgraben zu können. Wie irrsinnig diese Annahme wirklich ist zeigt sich übrigens, wenn man den Gedanken zu Ende spinnt: Ginge dieses Kalkül auf, fände die CSU bald in ihren Reihen gestandene Fremdenfeinde. Will sie das wirklich? Im mecklenburg-vorpommerschen Dorf Jamel brannte jetzt die Scheune eines Künstlerehepaars ab. Mit Glück nicht das Wohnhaus. Die Besitzer sind den Rechtsextremen, die das kleine Dorf faktisch kontrollieren, seit Jahren ein Dorn im Auge. Die Ermittler haben erste Beweise für Brandstiftung. Tags darauf meldet sich der Bundesinnenminister zu Wort - aber nicht etwa, um den Brandanschlag zu verurteilen, sondern um Gesprächsbedarf beim Thema Geldleistungen für Flüchtlinge vom Westbalkan anzumelden. Man kann das als politische Dummheit abtun oder es Feigheit nennen. Oder befürchten, dass das Schweigen Methode hat. Warum überlässt es die Politik derzeit den Medien, sich gegen die schon lange nicht mehr latente Fremdenfeindlichkeit in Deutschland im Jahr 2015 auszusprechen? Es ist an jemandem wie der Journalistin Anja Reschke, in einem Kommentar in den "Tagesthemen" das auszusprechen, was jeder, der irgendwie einmal im Internet unterwegs war dieser Tage, sehen kann: dass das Netz voll ist mit vor Geifer triefender und vor Rechtschreibfehlern strotzender Hetze gegen Flüchtlinge und Andersdenkende. Und dass es Zeit wäre für einen Aufstand der Anständigen. Früher hatte so etwas einmal der Bundeskanzler gesagt. Doch Merkel macht, was sie am besten kann: schweigen. Dieses Schweigen macht das Krakeelen der rechten Minderheit in Deutschland aber umso lauter. Es bestätigt die "Ich habe nichts gegen Ausländer, aber"-Sager und selbst ernannten "Asylkritiker". "Reden ist Silber, schweigen ist Gold" mag Merkels Unantastbarkeit begründet haben. Heute ist Schweigen Gift für das Deutschland, in dem ich meine Tochter gerne aufwachsen sehen würde.
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