Regensburg (ots) - Die Würde des Menschen ist unantastbar, verlangt das Grundgesetz. Es heißt an dieser wichtigen Stelle nicht, die Würde des/der Deutschen sei unantastbar, pflegte der einstige Bundespräsident Johannes Rau zu erklären, wenn wieder einmal der Schutz und die Rechte von Minderheiten, von Migranten und Flüchtlingen etwa, auf dem Spiel stand. Dabei, das ist leider die Realität in Deutschland im Spätsommer 2015, wird massenhaft die Würde von Menschen verletzt. Flüchtlinge, die - egal aus welchen Gründen sie zu uns gekommen sind, werden beleidigt, bedroht, angegriffen, ihre Unterkünfte werden belagert, mit Steinen beworfen und angezündet. Zugleich richtet sich dumpfe Gewalt auch gegen Polizisten, gegen Bürgermeister, Sanitäter, Helfer. Die Ausschreitungen von Dresden-Heidenau, wo allabendlich ein von der rechtsextremen NPD aufgeputschter Mob gegen die dortige Flüchtlingsunterkunft vorgeht, ist ein schlimmes Zeichen. Hier geht es zugleich um eine Kraftprobe: Kann dieser sogenannte "Druck der Straße" politische, behördliche Entscheidungen zur Unterbringung von Flüchtlingen zu Fall bringen oder nicht? Gibt der Staat, geben Politik, Behörden, Polizei und Justiz an dieser Stelle dem Druck rechter Dumpfbacken nach, dann wäre das ein schlimmes Versagen mit katastrophalen Auswirkungen. Egal, wie man zu den einzelnen Fragen des Problems steht - zu sicheren Herkunftsländern, schnelleren Asylverfahren, Arbeitserlaubnis, Duldung, Abschiebung oder Taschengeld - eins muss klar sein: Die Würde der betroffenen Flüchtlinge darf nicht angetastet werden. Die von Polizisten und Helfern übrigens auch nicht. Vor über 20 Jahren knickte der Staat im sächsischen Hoyerswerda oder in Rostock-Lichtenhagen ein. Damals ging es übrigens nicht um Flüchtlinge aus Kriegsgebieten, sondern um seit langem in Ostdeutschland lebende Ausländer. Die jetzt dramatisch angewachsenen Flüchtlingszahlen befeuern die gesellschaftliche Auseinandersetzung nun erneut. Dass Flüchtlinge, die aus triftigen Gründen zu uns kommen, nicht nur Kosten und Mühen bringen, sondern auch eine Bereicherung für unsere alternde Gesellschaft sein können, wird allzu oft vergessen. Es ist schade, dass die demokratischen Parteien bei dieser großen Herausforderung nicht an einem Strang ziehen. Dass SPD-Chef Sigmar Gabriel nun versucht, den Schwarzen Peter bei der Union abzuladen, die seit Jahren den Bundesinnenminister stellt, ist nicht gerade hilfreich. Die Attacken des Grünen- und Linken-Spitzenpersonals gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel, die sich weigere, Flüchtlingsheime zu besuchen, sind es auch nicht. Parteiengezänk ist das Letzte, was zur Bewältigung einer solchen Herkulesaufgabe wie der Aufnahme von 800 000 Flüchtlingen gebraucht wird. Schlimmer noch, die kleinlichen Schuldzuweisungen an das jeweils andere politische Lager nähren nur den Vorbehalt bei vielen Bürgern: die da oben können es nicht. Auf einem anderen Blatt steht freilich, wie konkret mit dem Zustrom umgegangen wird. Wenn die Anwohner von Heimen gar nicht oder viel zu spät über entsprechende Pläne informiert werden, braucht man sich über deren Ablehnung nicht zu wundern. Das Gefeilsche um die Kosten trägt ebenfalls nicht zu Ruhe und Verständnis bei. Zumal viele Kommunen mit dem Problem hoffnungslos überfordert sind, finanziell und personell. Der Bund muss wesentlich tiefer in die Tasche greifen, um Unterbringung und Integration zu bezahlen. Auch müssen die Asylverfahren, wie seit Monaten versprochen, viel rascher abgeschlossen werden. In beidem hat Horst Seehofer recht. Dass der CSU-Chef allerdings ebenfalls darüber räsoniert, man müsse Flüchtlingen die Leistungen kürzen, bedient nicht nur Ressentiments, sondern widerspricht auch einschlägigen Urteilen aus Karlsruhe.
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