Bremen (ots) - Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels wusste, worauf er sich einlässt. Navid Kermani, dem die Vereinigung ihren diesjährigen Friedenspreis verliehen hat, machte bereits 2014 mit einer fulminanten Rede auf sich aufmerksam. Zum 65. Geburtstag des Grundgesetzes hatte er im Bundestag erklärt, Deutschland habe das Recht auf Asyl quasi abgeschafft und engagiere sich nicht genug für die Flüchtlinge, die aus den zerbrochenen Staaten des Nahen Ostens Schutz in Europa suchten. Das war am 23. Mai 2014 und sorgte ein paar Tage lang für Rauschen im Blätterwald. Fast eineinhalb Jahre später ist Europa mit einer Völkerwanderung konfrontiert, und das Nachdenken über langfristige Lösungen gilt endlich nicht mehr nur als Aufgabe von Schöngeistern, sondern von Realpolitikern. Kermani, Deutscher mit iranischen Wurzeln und intellektueller Wanderer zwischen Okzident und Orient, legte daher mit seiner Dankesrede nach und zeigte erneut, dass er seine luziden Gedanken in ebenso deutliche wie bewegende Worte kleiden kann. Er scheute sich nicht, es menscheln zu lassen, indem er von zwei christlichen Patern erzählte, die in ihrem Kloster in Syrien seit Jahren die Versöhnung der Weltreligionen Islam und Christentum versuchen und vom IS verschleppt wurden. Er schrieb den islamischen Ländern ins Stammbuch, den heutigen "religiösen Faschismus" erst möglich gemacht zu haben durch das denkfaule Negieren ihrer jahrhundertealten toleranten Hochkultur. Schließlich fragte er kühn: "Darf ein Friedenspreisträger zum Krieg aufrufen?" Das ging an die Adresse des Westens. Denn hier grassieren ebenfalls Denkfaulheit und Doppelzüngigkeit, auch, weil Waffengeschäfte mit dem langjährigen IS-Untersützer Saudi-Arabien so lukrativ sind. Solche unappetitlichen Allianzen müssen jetzt endlich auf den Prüfstand, damit der Horror in Syrien beendet werden kann. Das wünscht sich nicht nur Navid Kermani, damit spricht er vielen aus dem Herzen. Der Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels hat eine große Rede gehalten, wahrscheinlich die wichtigste des Jahres.
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