Berlin (ots) - Nach den Anschlägen von Paris werde in Europa nichts so sein wie es war, heißt es allerorten. Es liegt wenig Hoffnung in diesem Satz. Denn die bestimmenden Reaktionen auf die Attentate der IS-Mörderbande sind altbekannt. Unter dem Ruf der Verteidigung der Freiheit sammeln sich jetzt auch jene, die selbst die Axt an Humanitas und Grundrechte legen oder auf irgendeine andere Weise die Opfer politisch missbrauchen wollen. Ein großer Teil des politisch-medialen Trosses folgt dabei einem Business as usual, das aus schlechtester Erfahrung nicht lernen will. Wieder werden die Toten eines Terroranschlags für die Freunde von Überwachung, polizeilichem Bundeswehrmandat und innerer Aufrüstung zur Handelsmasse - eingesetzt in einem schmutzigen Geschäft, das zwar immer neue Methoden der Freiheitsbeschränkung hervorbringt, aber auch diesen Anschlag nicht verhinderte. Wieder wird nach einem Anschlag mit Kriegsrhetorik auf militärische Lösungen eingestimmt, die schon in der Vergangenheit die Welt nicht friedlicher gemacht haben und auch den Sumpf der Barbarei, der sich in den IS-Gebieten ausbreitet, bisher nicht trocken legen konnten. Dass man dem »Islamischen Staat« nicht mit Zureden wird beikommen können, ist so richtig, wie zur Wahrheit gehört, dass andere die Welt mit ihrer Aufrüstung und Geopolitik nicht sicherer machen. Wieder müssen nach einem Terroranschlag die Muslime fürchten, zu einem Gegenkollektiv gestempelt zu werden - gegen das Front zu machen sich dann »besorgte Bürger« ebenso legitimiert fühlen dürfen wie Rechtsradikale bei ihren Anschlägen auf Moscheen. Dabei liegt die Förderung der Islamophobie sogar in der Logik der Mörder: Je stärker sie ist, desto glaubwürdiger scheint das IS-Narrativ vom angeblichen Kampf des Westens gegen die Muslime. Und sie richtet sich gegen jene, von denen selbst viele vor der Gewalt von Dschihadisten flohen, und macht Flüchtlinge so erneut zu Opfern. Auch die Stimmungsmache gegen Flüchtende ist nicht neu. In der Anti-Asyl-Rhetorik, die nun noch schärfer geworden ist, wird das ewige Zerrbild vom »Fremden« aktualisiert, der immer und stets zur Bedrohung für ein angeblich alteingesessenes Wir-Kollektiv werden könnte. Beängstigend ist die Geschwindigkeit, mit der sich immer mehr Claqueure in rhetorischer Kampfmontur dem Marsch in die falschen Reaktionen anschließen - vom Kolumnisten, der mit grinsendem Smiley nach dem Massenmord von Paris auf die Radikalisierung der Flüchtlingsdebatte hofft bis zur Phalanx der militärstarrenden »Grenzschützer« in der Union. Sie reden schon im geistigen Ausnahmezustand - ein Ausnahmezustand, der schnell in einen realen münden kann.
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