Bielefeld (ots) - Mit großer Mehrheit hat der Bundestag die Entsendung der Bundeswehr in den Nahen Osten beschlossen. Wohl etwa 60 Prozent der Bevölkerung stehen hinter diesem Einsatz. Das macht sehr nachdenklich. Erstmals seit Jahrzehnten schrumpft in der Bundesrepublik die - nennen wir sie: pazifistische - Grundhaltung, die uns nach dem Zweiten Weltkrieg und dem sogenannten Kalten Krieg der Atomrüstung vereinte. Die Zahl der Kriegsdienstverweigerer erreichte Höchstwerte, die Friedensbewegung mobilisierte 250.000 Menschen zur Demo im Bonner Hofgarten. Mutmaßlich sind unter den 60 Prozent, die sich heute für die Kriegsbeteiligung in Syrien aussprechen, viele, die damals auch in Bonn auf die Straße gingen. Selbst bei den Grünen, die sich gegen die Rüstung damals gründeten, gibt es heute Ja-Sager zum Syrien-Einsatz. Was ist geschehen mit den friedensbewegten Deutschen? Es geht Angst um im Land. Der Grund dafür ist der Terror der angeblich religiös begründeten Verbrecherbande Islamischer Staat (IS). Die Angst ist berechtigt, das zeigen nicht nur die Terroranschläge von Paris, sondern auch die Fahndungserfolge, die Anschläge bei uns bislang verhinderten. Die Angst ist aber auch irrational. Das konnten wir zuletzt beobachten bei der Absage des Länderspiels der Deutschen gegen die Niederlande in Hannover. Die Gefahrenbeurteilung schoss weit über den tatsächlichen Ernst der Lage hinaus. Dieses Beispiel zeigt ganz gut, wie schwach uns irrationale Angst macht. Die IS-Verbrecherbande und deren Gefolgsleute schaffen es, mit ihren Angriffen eine Art von Panik zu erzeugen, ein Bedrohungsszenario, das unser Handeln hektisch und unüberlegt werden lässt. Das aber ist genau der Zweck des Terrors. Er funktioniert nur mit Angst und dem Verlust von Vernunft. Wir stehen mit der Entscheidung gestern einem Paradoxon gegenüber: Der Terror braucht diesen Krieg, um die Menschen im Nahen Osten hinter einer Selbstverteidigungsideologie zu versammeln. Der Terror ist aber genau deshalb mit Krieg nicht zu besiegen. Eher im Gegenteil: Der Krieg vergrößert die Terrorgefahr. Wir brauchen den Ausstieg aus den Automatismen dieser Realpolitik. Die in Deutschland entstandene Willkommenskultur für Flüchtlinge aus Syrien ist ein Anfang dafür. Sie setzt dem Terror und der Gewalt das Prinzip "Wandel durch Annäherung" des Friedensnobelpreisträgers Willy Brandt entgegen. Das ist ein Weg. Er ist auch dann richtig, wenn am Leben gescheiterte Ideologen wie Ex-Linken-Chef Lafontaine ihn zu okkupieren versuchen. Außenminister Steinmeier hat nicht unwesentlichen Anteil daran, dass die Vater-Staaten des Terrors, die Todfeinde Iran und Saudi-Arabien, an einem Tisch in Wien über Syrien und die Wege zum Frieden verhandeln. US-Außenminister Kerry nennt die Gespräche den "Weg aus der Hölle". Das ist der richtige Weg, nicht Krieg aus Angst. Der Bundestag hat gestern für eine Kriegsbeteiligung entschieden. Leider! Die Suche nach einem Neuanfang der Politik, einem "New Deal" mit den Muslimen, ist damit aber nicht obsolet. Sie ist noch viel drängender geworden.
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