Cottbus (ots) - Alle Macht den Siegern, kein Pardon für die Verlierer. Das ist nach Budapest nun auch in Warschau die Kampfparole des Tages. Es wird durchregiert, vom Verfassungsgericht bis zu den Medien. Die Selbstverständlichkeit eines Wechsels, wie wir ihn kennen, das Respektieren auch des politischen Konkurrenten, der eben nicht Gegner ist, diese Grundeinstellung fehlt in einigen neuen Demokratien Osteuropas ganz offensichtlich. Noch, muss man sagen. Denn überall entwickelt sich auch dort eine aufgeklärte, liberale, weltoffene und proeuropäische Zivilgesellschaft, vor allem unter den jungen Leuten. Auch insofern ist Polen noch nicht verloren. Minderheitenrechte, Machtbalance, Unabhängigkeit von Justiz und öffentlich-rechtlichem Rundfunk, Gewaltenteilung, all das ist Kern demokratischer Verfassungen. Auch natürlich das Asylrecht und das Diskriminierungsverbot von Menschen mit anderer Hautfarbe, Religion und sexueller Orientierung. Aber mal ehrlich: Wie lange hat es im alten Westen gedauert, bis die Demokratie voll entwickelt war, unter gütiger Mithilfe der westlichen Siegermächte übrigens? Und wie lange, bis sie wirklich gelebt wurde? Versuche, die Fernsehsender unter Kontrolle zu bekommen, gibt es, siehe einige Personalentscheidungen im ZDF, sogar bis in die Gegenwart. Freilich, das, was im Rest des Kontinents mühsam in all den Jahren aufgebaut und erprobt wurde, könnte Jaroslaw Kaczynski an einem Tag lernen. Er startet nicht bei 1945. Es ist an der EU, jetzt sehr unmissverständlich zu zeigen, dass man demokratische Mindeststandards von jedem Mitglied erwartet. Denn die EU ist eine Wertegemeinschaft von Demokraten. Die Akzeptanz der Grundregeln und Grundwerte war Beitrittsbedingung für alle. Und alle haben sich daran zu halten. Eine angemessene Reaktion auf Kaczynskis nationalkonservativen Rundumschlag zu finden, ist deshalb nicht die Angelegenheit eines einzigen Staates, sondern der ganzen Gemeinschaft. Schon gar nicht ist sie Sache des großen Nachbarn im Westen. Jede spezielle deutsche Einmischung wäre ohnehin nur Munition für die nationalistischen Eiferer in Warschau. Jedes besonnene, ruhige und vor allem rechtsstaatliche Vorgehen setzt sie hingegen ins Unrecht. Es ist deshalb richtig, den EU-Rechtsstaatsmechanismus in Gang zu setzen. Noch überzeugender wäre es, Brüssel würde gleichzeitig in gleicher Weise auch gegen Ungarns Victor Orban vorgehen. Letztlich geht es darum, die Bürger in den betroffen Ländern zu erreichen. Es gibt gute Gründe, auf sie Hoffnungen zu setzen. Die Polen haben schon dem Kommunismus widerstanden und der Militärdiktatur, auch die Ungarn haben sich widersetzt. Beide Bevölkerungen haben das nicht getan, um sich von Europa zu entfernen. Sondern um dazuzugehören.
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