Regensburg (ots) - I have a dream": Am 28. August 1963 hielt Martin Luther King die vielleicht berühmteste Rede der Menschheitsgeschichte. Er träumte davon, dass seine vier kleinen Kinder "eines Tages in einem Land leben, wo sie nicht nach ihrer Hautfarbe, sondern nach ihrem Charakter beurteilt werden". Genau 45 Jahre schien der Traum wahr geworden. Der erste Schwarze im Weißen Haus leistete seinen Amtseid. Doch acht Jahre später schießt zum zweiten Mal in Folge der Hashtag "OscarsSoWhite" durchs Netz. Tritt die Gesellschaft also doch auf der Stelle? Nicht ganz. Sie bewegt sich nur sehr, sehr langsam - im Modus "zwei Schritte vor, einen zurück". Möglicherweise liegt es am schwarzen Präsidenten, dass Alltagsrassismus in den USA augenfälliger ist denn je. "Black Lives Matter" - Schwarze Leben zählen - heißt die Parole, mit der Aktivisten gegen Rassismus in der Strafverfolgung kämpfen, seit ein selbsternannter Bürgerwehrler nach dem tödlichen Schuss auf einen unbewaffneten schwarzen Teenager freigesprochen wurde. Vorher und nachher starben Schwarze. Wackelige Youtube-Videos dokumentieren, wie weiße Cops Flüchtenden in den Rücken schießen. Zunächst richteten sich die Blicke der Afroamerikaner erwartungsvoll aufs Weiße Haus. Doch der Zauber des Neuanfangs ist verflogen. Hexen konnte auch Obama nicht. Wer hohe Erwartungen hatte, erlebt den Boden der Realität als besonders hart. 2016 haben die 6000 Filmschaffenden der Oscar-Akademie - zu 94 Prozent Weiße, zumeist alte Männer - schon wieder herausragende Leistungen schwarzer Schauspieler ignoriert. Es ist tatsächlich ein Schlag ins Gesicht, dass statt Michael B. Jordan einer der wenigen weißen Schauspieler in "Creed", Sylvester Stallone, nominiert wurde. Und dass die von einem schwarzen Team gedrehte Rapper-Filmbiografie "Straight Outta Compton" ausgerechnet mit dem Drehbuch Oscarchancen hat: Es wurde von zwei Weißen geschrieben. Rassismus kann, muss aber nicht der Grund für Diskriminierung sein. Die Filmbranche liebt Klischees: Deutsche Schauspieler machen in den Augen von Hollywood-Produzenten eigentlich nur in Nazi-Uniform eine gute Figur. Hierzulande läuft es kaum anders: Der tunesischstämmige Elyas M'Barek, Star seit "Fack ju Göthe", durfte vor seinem Durchbruch im Wesentlichen kriminelle Türken spielen. Man muss dahinter nicht einmal eine Verschwörung wittern. Mit klischierten Typen lässt sich das Unterhaltungskino machen, das ein Großteil des Publikums sehen will. OscarsSoWhite erinnert an den hitzigen und notwendigen Streit um Frauenquoten. Nur die Qualifikation dürfe zählen, sagen die einen. Die anderen glauben, dass Frauen nie an die Spitze kommen, solange Männerklüngel den Weg versperrt. Regisseur Spike Lee, der der Oscar-Verleihung demonstrativ fernbleiben will, erlebt breite Unterstützung. Allerdings werfen ihm Facebook-Fans auch vor, dass er seine Leute zum Opfer mache: "Wir müssen aufhören zu betteln und uns darüber zu beschweren, dass wir nicht an ihrem Tisch sitzen dürfen!" Ein Schauspieler müsse durch Qualität überzeugen, wettert eine (weiße) Kommentatorin. Allerdings: Wer bekommt überhaupt die Chance, seine Fähigkeiten zu zeigen? Für Hispanics in L.A. dürften die Wutreden schwarzer Promis sogar Luxusprobleme sein: Mexikaner lässt man in Hollywood-Studios allenfalls Böden wischen. Der schwarze Komiker Chris Rock, der die Oscar-Nacht am 28. Februar moderieren wird, kritisiert die einseitige Auswahl der Akademie. Er merkt aber auch an, dass sich etwas tue in Hollywood. Vor 15 Jahren seien Filme von Schwarzen noch als Nischenprogramm betrachtet worden. Das habe sich gründlich geändert: "Sie machen nicht nur Geld - man erwartet auch von ihnen, dass sie Geld machen". Es gab und gibt also durchaus Schritte nach vorne. Die Vorauswahl für den 28. Februar ist leider ein Schritt zurück. Kings Traum ist nicht geplatzt. Doch die wichtigste "Black Power" scheint auch im 21. Jahrhundert diese zu sein: Geduld.
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