Bielefeld (ots) - Polens Verfassungsgericht beschlussunfähig, das Staatsfernsehen unter Kuratel und das Polizeigesetz verschärft: Die neue nationalkonservative Regierung in Warschau hat ein knallhartes Rollback eingeleitet. Verweigerung in der Flüchtlingskrise, Nehmen statt Geben als alleiniges Verständnis von Europa und die Verunglimpfung Deutschlands in Parteimedien vollenden ein verheerendes Bild. Die Nachbarstaaten sind in großer Sorge. Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) versucht zu retten, was zu retten ist. Und die EU hat erstmals den Rechtsstaatsmechanismus zur Überprüfung möglicher Verfassungsverstöße gestartet. Und dennoch ist Polen nicht verloren. Die machtvollen Demonstrationen eines wachen und engagierten Bürgertums seit Dezember an fast jedem Wochenende machen Hoffnung. Die gestern abgeschlossene Vorsitzendenwahl in der größten Oppositionspartei, der Bürgerplattform, nährt die Überzeugung, dass das Land auch diese Krise meistern dürfte. Dem Ruf des »Komitees zur Verteidigung der Demokratie« waren die Polen zuletzt in 36 Städten massenhaft gefolgt. Gründer Mateusz Kijowski: »Wir sind keine Revolutionäre, wir wollen die Demokratie und die Freiheit in Polen bewahren.« Die allein regierende Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) kam Ende Oktober mit gerade 37 Prozent ins Amt - und das auch nur, weil die Bürger die von Donald Tusk getragene Vorgängerregierung stürzen wollten. Selbst unter PiS-Wählern gibt es keine Mehrheit für den antideutschen Nationalismus, dem Jaroslaw Kaczynski, die graue Eminenz der PiS-Partei, frönt. Auch andere haben schon an den Mediengesetzen herumgeschraubt, stets um sich selbst ins rechte Licht zu setzen. Das ging jedes Mal schief. Deshalb überzeugt die Protestparole: »Ihr habt das Fernsehen, aber wir haben die Fernbedienung.« Nicht zu vergessen: Furchtlose Arbeiter haben 1980 auf der Danziger Leninwerft und damit lange vor dem Fall der Mauer den Ostblock erschüttert. Schon damals galten Erklärungen von Regierenden nichts. Als jetzt auch noch der Vorsitzende der Bischofskonferenz in Polen vor »krankem Nationalismus« und Fremdenhass warnte, wusste die Regierung, dass sie zu weit gegangen ist. Ministerpräsidentin Beata Szydlo kann nicht auf jährlich 14 Milliarden EU-Gelder verzichten und die Russland-Sanktionen sind ihrer Regierung heilig. Deshalb braucht es das EU-Rechtsstaatsverfahren gar nicht. Artikel 7 des Lissabon-Vertrages ist ohnehin eine stumpfe Waffe. Sie wirkt allenfalls bei einem Militärputsch, aber nicht einmal bei vollendeter Gleichschaltung. Besser ist, wir bleiben neutral und zuversichtlich. Das polnische Volk weiß sich zu wehren. Der Kampf für Demokratie und Freiheit liegt in besten Händen.
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