Regensburg (ots) - Das "ja, aber" hat Einzug in die Flüchtlingsdebatte gehalten - auch bei der SPD. Die Vorschläge von Bundessozialministerin Andrea Nahles, Leistungen für Asylbewerber an den Integrationswillen zu knüpfen, sind ein Beweis dafür. Zwar ist nichts gegen eine Sanktionsandrohung zu sagen. Dennoch wäre es interessant, den Prozentsatz an integrationsunwilligen Flüchtlingen zu messen - oder erst einmal zu sagen, wo Integrationswillen aufhört. Was aber klar wird: Die Art, in der die Flüchtlingsdebatte geführt wird, hat sich verändert, und das hat Folgen. Die veränderte politische Tonlage, vom Willkommens-Dur zum Bedrohungs-Moll, ist eine Reaktion auf einen vermeintlichen Stimmungsumschwung in Deutschland. Die Frage ist: Gab es den - oder wurde er so oft heraufbeschworen, dass er nun gefühlte Realität ist? Unterschiedliche Wahrheiten gibt es in der Asyldebatte schon lange. Nur überwog bislang die mit dem guten Flüchtling als Protagonisten. Damit aber ist es seit geraumer Zeit vorbei, ziemlich genau, seit das "Wir schaffen das"-Credo der Kanzlerin in den eigenen Reihen offen zerlegt wird. Niemanden freut das mehr, als den rechten Rand des politischen Spektrums. Wer sich schockiert über die Abgründe äußert, in die die Äußerungen der AfD über einen Schusswaffeneinsatz gegen Flüchtlinge an der Grenze blicken lassen, vergisst etwas: Es waren die etablierten Parteien, die bei der Entstehung dieser Abgründe mithalfen. Nicht aktiv, sondern weil sie Armut und Verunsicherung nicht nur in einer vermeintlichen Unterschicht haben wachsen lassen. Verunsicherung über einen möglichen Sturz in die Armut entstand auch bei denen, die glaubten, ihre Schäfchen im Trockenen zu haben. Armut ist ein Schreckgespenst auch für die geworden, die brav ein Leben lang ihre Rentenbeiträge gezahlt haben. Die AfD macht bereits offen mit der Frage Politik, warum der Rentner in Armut, der Flüchtling dagegen vermeintlich in Saus und Braus lebt. Wer diese Frage auch stellt, sind die Betroffenen. Weil sie keine Antwort erhalten, machen sie ihr Kreuz eben dort, wo sie eine Antwort erhoffen: rechts außen. Was das mit den Flüchtlingen zu tun hat: Alles. Die Angst vor dem drohenden sozialen Abstieg wurde auf die vor den Flüchtlingen übertragen. Nicht der anonyme Staat ist der Feind, nein, der Fremde. Der Staat reagiert. Weil er weiß, dass früher oder später er nach seiner Zuständigkeit für miese Renten gefragt werden wird oder danach, warum er zwar Milliarden für griechische Banken hatte, aber nichts gegen drohende Altersarmut tut. Diese Handlung ist eine Reaktion, ein erzwungenes Handeln. Somit räumt er das Feld für diejenigen, die Vorurteile genährt haben, anstatt aktiv die Ängste zu bekämpfen. Die Rechten haben das Bild des Flüchtlings verdunkelt. Köln hat ihnen dabei geholfen, ebenso wie die Hilfslosigkeit der Behörden und der Politiker in der Reaktion auf die Ereignisse der Silvesternacht. Schärfere Gesetze oder die Androhung von Sanktionen gegen Integrationsverweigerer sind völlig legitime Reaktionen. Nur gehen sie am Problem vorbei. Der Staat hat immer noch keine Ahnung, wie er mit der Asylkrise umgehen soll. Oder mit der Sozialkrise. Er verschärft den Diskurs, den ihm die Rechten aufgezwungen haben, und tritt damit in einen Wettlauf, den er nicht gewinnen kann. Selbst wenn sich die AfD beim Wähler durch die Idee des Schießbefehls disqualifiziert hat (was abzuwarten bleibt), hat sie den Spielraum möglicher neuer Forderungen erweitert. Ja, es stimmt: Deutschland steht vor einer enormen Herausforderung bei der Integration. Sie bezieht sich auf viele vernachlässigte Gruppen. Flüchtlinge sind nur eine davon.
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