Regensburg (ots) - Nationalismus sei eine Kinderkrankheit, sozusagen "die Masern der Menschheit", bemerkte Albert Einstein. Vor 100 Jahren bescherte der Nobelpreisträger der Menschheit nicht nur die Relativitätstheorie, sondern lieferte im Laufe seines bewegten Lebens auch viele Bonmots. Nationalisten und Chauvinisten, die ihr Land, ihr Volk über andere erhoben, haben es dem genialen Physiker einst unmöglich gemacht, in Deutschland zu bleiben. Sehr wahrscheinlich, dass der Weltbürger und Demokrat Einstein heute vor den Gefahren der neuen Nationalisten warnen würde, die sich unter dem Motto, das Abendland vor dem Islam retten zu müssen, zusammenrotten. Der größte Aufmarschort der Pegida in Deutschland ist das eigentlich eher beschauliche und schöne Dresden. Doch nicht nur in der sächsischen Landeshauptstadt formieren sich Bewegungen, die gegen die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin, gegen die massenhafte Aufnahme von Kriegsflüchtlingen, gegen Zuwanderung und Fremde überhaupt auf die Straße gehen. Die politische Kinderkrankheit hat auch in den anderen Länder der EU Zulauf, in Frankreich, Großbritannien, Polen, Ungarn, Dänemark. Und aus diesen Anti-Bewegungen entspringen zahlreiche, zumeist rechtsgerichtete oder gar rechtsextreme Parteien. Sie sind sozusagen der politische Gegenentwurf zu einem gemeinsamen Europa. Sie blasen vielmehr zum Rückzug in die Festung der Nation, weg vom Euro, weg von der EU. Zurück in die Zukunft. Diese Bewegungen und die mit ihnen wechselseitig verfilzten Parteien sind Profiteure der Angst vieler Menschen, der Angst vor Überfremdung, der Angst vor sozialem und wirtschaftlichem Verlust, der Angst vor Verlust der nationalen und vielleicht auch der kulturellen und religiösen Identität. Dass in Deutschland bereits mehrere Millionen Muslime in der Regel ganz normal leben und arbeiten, ohne dass die christlich abendländische Kultur nennenswerten Schaden genommen hätte, interessiert die Angstmacher und Hassprediger nicht weiter. Dass sich die Pegidas innerhalb der EU nun stärker vernetzen wollen, ist insofern paradox: man will sich zusammentun, um Europa wieder zu spalten. Aber ganz neu ist das nicht. Längst arbeiten die Europaskeptiker von der britischen UKIP bis zum französischen Front National Hand in Hand. Die großspurig als "Alternative für Deutschland" vom Wirtschaftsprofessor Bernd Lucke gegründete Partei war bis vor kurzem noch die schärfste Kritikerin der Berliner und Brüsseler Euro-Politik. Inzwischen hat sich die AfD des professoralen Überbaus entledigt und ist der wichtigste politische Arm der Pegida in Deutschland geworden, gefolgt von der weithin in die Bedeutungslosigkeit gefallenen rechtsextremen NPD. Für beide ist die Flüchtlingskrise, genauer der derzeitige heftige politische Streit um Begrenzung, Obergrenzen, Familiennachzug, Finanzierung, Unterbringungen und Integration ein wahrer Jungbrunnen. Alte, längst überwunden geglaubte nationalistische bis offen chauvinistische und rassistische Vorurteile feiern unfröhliche Urständ. Die Crux ist, dass die billigen Parolen von AfD und Co. bei vielen "besorgten Bürgern", von denen viele einfach nur Zweifel haben, ob wir das alles wirklich schaffen können, auf fruchtbaren Boden fallen. Wirkliche Lösungen haben die Rechtspopulisten aber nicht zu bieten. Außer Grenzen dicht und notfalls Feuer frei! Leider bedeutet das jetzige Gezerre in der Koalition um das zweite Asylpaket Wasser auf die Mühlen von Pegida, AfD, NPD und Co. Eine Koalition, die sich in wichtigen Fragen nicht einig ist, verstärkt nur noch den Eindruck: die da oben können es nicht. Wer den Profiteuren der Angst wirklich das Wasser abgraben will, der muss entschlossen und geschlossen, konkret und langfristig das Flüchtlingsproblem lösen. Oder um es mit Einstein zu halten, gegen Masern ist ein Kraut gewachsen.
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