Bielefeld (ots) - Die heiße Phase hat begonnen. Wenige Tage vor dem Gipfeltreffen der europäischen Staats- und Regierungschefs am Donnerstag und Freitag tagten gestern die Spitzen Polens, Ungarns, Tschechiens und der Slowakei, um ihre Haltung gegen Merkels Linie in der Flüchtlingspolitik festzuklopfen. Wenige Stunden vor dem Treffen der 28 Staatenlenker wird am Donnerstag in der Brüsseler Vertretung Österreichs die 13 Parteien starke »Koalition der Willigen« mit Deutschland, Luxemburg, den Niederlanden, Schweden, der Alpenrepublik und anderen zusammenkommen, um ihre Position festzuklopfen. Kurz darauf treffen alle politischen Kombattanten am Runden Gipfeltisch aufeinander. Gibt es eine europäische Lösung? Die Planspiele der Experten ergeben ein Kuriosum: Egal was bei diesem Gipfel herauskommt - die Zahl der Flüchtlinge, die nach Mitteleuropa kommt, dürfte weiter spürbar zurückgehen. Szenario 1: Die europäische Lösung setzt sich durch. Sie besteht aus vielen Einzelschritten: Unmittelbar nach dem Gipfel schließt Ankara die Grenzen, streicht drei Milliarden Euro zur Verbesserung seiner Flüchtlingslager ein. Schlepper haben immer geringere Chancen, weil die Nato die Seewege überwacht. Doch die Türkei fürchtet, nach den Bomben auf Aleppo von weiteren Hunderttausenden von Flüchtlingen überrannt zu werden. Deshalb wollen Merkel und ihre Freunde Ankara versprechen, pro Jahr 300 000 Menschen zu übernehmen und sie auf die übrige EU zu verteilen. So könnte ein Rückstau verhindert werden. Außerdem sollen die Außengrenzen mit Hotspots und einer neuen 1500 Mann starken Einheit europäischer Polizisten verstärkt werden. Dass dieses Szenario wirken könnte, bestreiten nicht einmal seine Gegner. Aber sie wehren sich gegen neue Aufnahmekontingente und vor allem gegen die Verteilung auf alle Mitgliedstaaten - zumindest so lange, bis eine Obergrenze definiert wird. Szenario 2: Die europäische Lösung scheitert. Merkels schärfste Gegner heißen Viktor Orbán (Premier von Ungarn) und Robert Fico (Präsident der Slowakei). Sie lehnen zwar den Deal mit der Türkei ab, scheinen dennoch offenbar bereit, die drei Milliarden mitzutragen. Viel wichtiger aber ist ihnen, die Grenze zwischen Mazedonien und Griechenland zu schließen, weil Athen zu einem Schutz der EU-Außengrenze nicht in der Lage sei. Schon jetzt stehen ungarische und slowakische Polizisten an der Grenze zu den Hellenen. Das Problem dieser Lösung: Zwar wäre die Balkanroute geschlossen, es käme aber zu einem Rückstau der Flüchtlinge auf griechischem Gebiet, was das Land restlos überfordern würde. Europa muss also entweder sein Problem gemeinsam lösen oder es kommt zu 28 Teillösungen, bei denen sich die Mitglieder gegenseitig die Schuld und die Menschen zuschieben.
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