Bielefeld (ots) - Natürlich haben es jetzt wieder alle gewusst. Es konnte mit diesem stets groß auftrumpfenden Gerry Weber im kleinen Halle nicht immer nur bergauf gehen. Irgendwann wird es auch dieses Unternehmen erwischen. Der Zeitpunkt ist jetzt da - viel später zwar, als von Pessimisten und Neidern vorausgesagt, aber heftig. Vorstandschef Ralf Weber, seit 14 Monaten im Amt, spricht selbst von der größten Herausforderung in der bisherigen Unternehmensgeschichte. Und da übertreibt er nicht. Gut, dass er jetzt das Ruder herumwirft. Die finanzielle Ausstattung der AG ist durchaus so, dass er damit auch noch hätte warten können. Doch dann wäre der Schaden für Eigentümer und Belegschaft, die beide jetzt Verzicht leisten, noch größer geworden. Bei der Suche nach den internen Ursachen wird man schnell bei Stellen fündig, die Kritiker schon dem Unternehmensgründer und Vater des jetzigen Vorstandsvorsitzenden, Gerhard Weber, vorgehalten haben - zuletzt allerdings nur noch leise. Vor allem sei der Modekonzern zu schnell gewachsen, hieß es. Tatsächlich hat Ralf Weber sogar noch eine Schippe draufgelegt. Er hat allein im vergangenen Geschäftsjahr die von Gerry Weber in Eigenregie geführte Verkaufsfläche noch einmal um 12,9 Prozent vergrößert - und zwar nur im Stammbereich, ohne die Neuerwerbung Hallhuber. Nicht zuletzt dadurch stieg die Zahl der Mitarbeiter - mit Hallhuber - von 5200 auf mehr als 7000. Die Ausweitung war angesichts der Marktsituation mutig - wie sich herausstellt, zu mutig. Schon Gerhard Weber ist öfter vorgehalten worden, er wachse auf Kosten des selbstständigen Modehandels. Dass er dort nicht nur Freunde hatte, ist klar. Andererseits sprachen die Abverkaufszahlen auf den Flächen, die ganz oder weitgehend von Gerry Weber selbst gemanagt wurden, eine so deutliche Sprache, dass die Kritik am Konzern immer mehr verstummte. Sie wird auch jetzt nicht überhand nehmen. Dafür sorgt schon die insgesamt äußerst schwierige Situation in der Modebranche. Kleidung hat in den vergangenen Jahren viel an Glamour verloren. Dazu hat nicht zuletzt der Handel selbst beigetragen, in dem er seine Ware verramscht hat. Ob das unter dem steigenden Einfluss des Onlinehandels besser wird, ist fraglich. Doch wirklich gut verdienen kann die Branche nur, wenn sie Begehrlichkeiten weckt. Kaum jemand kauft ein neues Kleid oder einen neuen Anzug, weil der Schrank leer ist. Leider sind es gerade die kleinen und mittleren Städte, in denen der Handel darunter leidet, dass mögliche Kunden gar nicht mehr in die City kommen, um einzukaufen. Hier für eine Belebung zu sorgen, muss allen am Herzen liegen, die verhindern wollen, dass die Provinz zur Erlebniswüste wird. In diesem Punkt dürfen die Politiker und noch mehr jeder Verbraucher die Hersteller und Händler nicht allein lassen.
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