Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Die Große Koalition wird nach Überzeugung des Berliner Parteienforschers Gero Neugebauer mit schnellen Integrationsmaßnahmen für Flüchtlinge auf den Erfolg der rechtskonservativen Alternative für Deutschland (AfD) bei den Landtagswahlen am Sonntag reagieren.
"Die Regierungsparteien CDU, SPD und auch CSU werden versuchen müssen, ihre Flüchtlingspolitik so zu organisieren, dass die Integration möglichst schnell verläuft", sagte der Politologe von der FU Berlin zu Dow Jones Newswires.
Auch müssten die Gründe für derzeitige Irritationen so abgebaut werden, "dass es nicht zu einem dominierenden Thema bei den nächsten Landtagswahlen insbesondere in Nordrhein-Westfalen 2017 und der danach folgenden Bundestagswahl wird".
Parteienforscher erwartet Themenverschiebung
Neugebauer sah die CDU als "größten Verlierer" des Wahlwochenendes. "Sie hat in allen drei Ländern verloren." Nun wird es nach seiner Überzeugung zu einer Akzentverlagerung in der politischen Debatte kommen. "Das Parteiensystem verschiebt sich nach rechts, die Koordinaten ändern sich", konstatierte der Politologe. "Eine Themenverschiebung ist angesagt." Themen wie starker Staat, Patriotismus, Abgrenzung zu Ausländern und Deutschland statt Europa dürften nun stärker formuliert werden.
Forsa-Chef Manfred Güllner betonte, man könne die Ergebnis nicht auf die Bundestagswahl hochrechnen - er warnte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) aber auch vor einem Schwenk in der Flüchtlingspolitik. "Für die Bundespolitik sehe ich an sich kein unmittelbares Signal", sagte der Geschäftsführer des Berliner Meinungsforschungsinstituts. "Es sind nach wie vor Landtagswahlen, und das Einzige, was durchgängig ist in allen Ländern, ist der Erfolg der AfD."
Darauf solle man aber nicht mit einem Schwenk nach rechts reagieren. "Man müsste überlegen, was hat man als Volkspartei falsch gemacht, um wieder das Vertrauen der Wähler zurückzuholen," riet Güllner. "Insofern kann man das Ergebnis jetzt nicht hochrechnen auf die Bundestagswahl." Es hänge allerdings stark davon ab, "wie die demokratischen Parteien jetzt auf das Wahlergebnis reagieren", sagte er auch. Merkel dürfe in der Flüchtlingsfrage nun keinen anderen Kurs einschlagen. "Das würde ihr erheblich schaden", meinte Güllner.
Ohoven fordert andere Flüchtlingspolitik
Hingegen forderte Mittelstands-Präsident Mario Ohoven von der Kanzlerin eine Kursänderung. "Die Wähler der AfD haben in erster Linie Berlin einen Denkzettel verpasst", sagte der Chef des Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) zu Dow Jones Newswires. "Ändert Frau Merkel ihren Kurs in der Flüchtlingspolitik nicht, wird die AfD auf der Erfolgsstraße bleiben." Gleichzeitig gerate Deutschland in Europa weiter in die Isolation, warnte Ohoven.
Ein nachhaltiger Schaden für die deutsche Wirtschaft sei durch das Ergebnis der Landtagswahlen nicht zu befürchten. "Internationale Investoren denken langfristig und über Regionalwahlen hinaus."
Skeptischer sah dies allerdings der Chef des Düsseldorfer Wirtschaftsforschungsinstitutes IMK, Gustav Horn. "Das Ergebnis ist Ausdruck tiefer Verunsicherung", sagte der Ökonom. "Dies ist per se schädlich für Investitionen, die ohnehin schon schwach sind", warnte der Wissenschaftliche Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung. Besonders gelte dies für den Osten Deutschlands. Insofern herrschten "keine gute Aussichten", sagte Horn.
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March 13, 2016 17:00 ET (21:00 GMT)
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